: Steuern für Reiche, Jobs für Arme
Vor der Neuwahl: Hamburger Gewerkschaften fordern von künftiger Bundesregierung mehr Arbeitsplätze, eine „gerechte“ Steuerpolitik und Korrekturen an Hartz IV
„Es gibt eine Menge zu tun“, meint Wolfgang Rose. In einem Zwölf-Punkte-Katalog hat der Hamburger ver.di-Chef gestern vorgestellt, was die neue Bundesregierung nach der Wahl am Sonntag aus Gewerkschaftssicht zuerst anpacken muss. Von „herausragender Bedeutung“, mahnte Rose, sei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ein Konjunkturprogramm solle den Aufschwung bringen mit mehr Gerechtigkeit in der Einkommensverteilung und bei der Steuerlast. Rose geißelte das von der CDU propagierte Steuerkonzept von Paul Kirchhof: „Das absurde Modell macht Reiche reicher und benachteiligt Arbeitnehmer.“
Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müsse auf staatliche Investitionen gesetzt werden. In einem ersten Schritt sollten 20 Milliarden Euro in den Ausbau von Bildungseinrichtungen sowie der Infrastruktur im Bereich Verkehr und Ökologie gepumpt werden. Von einem solchen Programm seien ein „Wachstumsschub“ und Beschäftigungseffekte zu erwarten, meint ver.di. Um die Kaufkraft zu stärken, seien zugleich die Löhne anzuheben. Eine höhere Mehrwertsteuer, wie von der CDU avisiert, wirke sich indes auf die Binnennachfrage „katastrophal“ aus.
Das Geld für Investitionen soll aus Sicht der Gewerkschaft von den Reichen kommen: durch eine Börsen-, eine Vermögens- und eine reformierte Erbschaftssteuer. Der Spitzensteuersatz müsse von derzeit 42 auf 47 Prozent angehoben werden. Das Kirchhof-Modell der CDU belaste allein die Armen, warnte Rose und rechnete vor, dass ein Millionär bei der von der Union angestrebten Senkung auf 25 Prozent jährlich 120.000 Euro an Steuern „geschenkt bekäme“.
Neben Arbeitsplätzen und Steuergerechtigkeit verlangt ver.di, Hartz IV zu korrigieren. Das Arbeitsmarktgesetz habe dazu geführt, dass Arbeitslose drangsaliert würden und verarmten, rügte Rose den Zwangscharakter der Ein-Euro-Jobs und das Absenken der Arbeitslosenhilfe auf pauschal 345 Euro. Das ALG II müsse erhöht und Ein-Euro-Jobs durch sozialversicherungspflichtige Angebote ersetzt werden. „Ohne Arbeitnehmerrechte zu arbeiten, ist entwürdigend“, so Rose. Auch würden reguläre Jobs verdrängt.
Naturgemäß pocht ver.di auf Wahrung der Tarifautonomie. Flächentarifverträge verhinderten, dass Arbeitnehmer in „ungezügeltem“ Wettbewerb um immer niedrigere Löhne gegeneinander antreten müssten. Wer diese und den Kündigungsschutz abschaffen wolle, mache die Beschäftigten „rechtlos“, rügte Rose schwarz-gelbe Pläne und attackierte die Spitzenkandidaten von CDU und FDP: „Wir warnen Angela Merkel und Guido Westerwelle vor dem Versuch, die Arbeitnehmervertretungen zu zerstören.“ Eva Weikert