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Passend zum November

Das britische Elektronikduo Mount Kimbie spielt am Freitag im ausverkauften Astra Kulturhaus

Von Stephanie Grimm

Bei Google Maps sucht man den Mount Kimbie vergeblich. Kein Berg mit toller Aussicht verbirgt sich hinter dem Namen. Dominic Maker und Kai Campos, die ihr Indie­tronic-Projekt so tauften, erklärten einmal, Mount Kimbie sei ein „utopischer Ort, an dem der Bus immer pünktlich kommt“ – womit sie – very british – tiefstapeln oder einfach nur kokettieren mit der latenten Spießigkeit, die sie optisch auf der Konzertbühne darstellen. So viel Emotionalität, wie im Sound der nerdigen Anti-Hipster steckt, kann man schließlich keinem noch so korrekt umgesetzten Fahrplan entgegenbringen.

Am Freitagabend traten Mount Kimbie im ausverkauften Astra Kulturhaus auf, was sich erst einmal gar nicht wie ein utopischer Ort anfühlte, nicht zuletzt, weil man wertvolle Zeit mit Schlangestehen verplempert hat, bis man Einlass gefunden, Klamotten abgegeben und ein Getränk hatte. Außerdem gehört Mount Kimbie in einen Club. Nicht weil sie Clubmusik machen: Auch in ihren vom Dub­step inspirierten Anfangsjahren hatten die beiden Künstler mit dem Album „Crooks& Lovers“ (2010) eher den Post-Club-Soundtrack geliefert, die Musik, die man auf der Nachtbus-Fahrt nach Hause hören wollte – und damit auch Menschen abgeholt, die mit Songs mehr anfangen können als mit Tracks. Nein, es passt einfach nicht ins große Astra, weil man sich in dieser Musik verlieren möchte, statt einer Bühnenshow zuzugucken.

Immerhin gab es an diesem Abend eine Lightshow, die das mit dem Sichverlieren erleichterte. Anfangs ist die Stimmung dennoch verhalten. Maker und Campos, am Freitag von einem Schlagzeuger und ihrer Gastvokalistin und Keyboarderin Andrea Balency unterstützt, sind bescheidene Typen, Posen sind ihnen fremd. Entsprechend ruhig lassen sie es angehen und vertrauen dar­auf, dass ihre Songs die Leute auch abholen. Was erst allmählich funktioniert.

Die leicht schrägen, Intimität und Wärme herstellenden Melodiebögen von Mount Kimbie passen einfach gut zum Herbst. Die puckernden Beats unter den Melodien sorgen derweil dafür, dass man trotz aller Melancholie doch wieder aufwacht. Vor dem inneren Auge blitzt eine Festivalwiese am See auf, nun weht doch ein Hauch von Utopie durch den Raum. Popsongs des aktuellen Albums „Love What Survives“ und des Vorgängers, „Cold Spring Fault Less Youth“, bestimmen die Setlist. Mit Mount Kimbies Post-Dubstep-Anfängen hat diese postpunkige Indie-Disco nicht mehr allzu viel zu tun.

Leider kann Maker nicht singen. Auf den Alben tut er es zwar auch, doch da fallen seine eklatanten Intonationsschwächen weniger auf. Live dagegen ist die Fallhöhe gegenüber dem, was man im Ohr hat, arg hoch. Bei „Blue Train Lines“, auf dem Album gesungen von King Krule, dem Rotschopf mit dem tief anrollenden, einprägsamen Sprechgesang, schmiert Makers Stimme total ab. Da wäre die Lösung eleganter gewesen, die Mount Kimbie für den Song „You Took Your Time“ einer frühere Zusammenarbeit mit King Krule gewählt haben: Er wird live als Instrumentalfassung präsentiert. Und für den Song „Marilyn“ kommt Micachus Stimme (neben James Blake und King Krule eine ihre tollen Gastvokalistinnen) vom Band.

Wirklich stören will man sich an diesen Hängern nicht, dazu sind Mount Kimbie nach ein paar Anlaufschwierigkeiten zu stimmungsbelebend. Und am Ende fühlt sich sogar der November vor der Tür recht passend an.

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