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wortwechselIn diesem Land ist gerade nichts in Butter

Der Preis für ein Grundnahrungsmittel steigt exorbitant, die Grünen befinden sich auf schwarz-gelben Pfaden, in Stuttgart wird Kriegstechnik gezeigt – und das Universum …

Neuerdings Luxus für den Frühstückstisch der „kleinen Leute“ Foto: dpa

Klingt doch verlockend

betr. „Die Butter ist derzeit einfach schweineteuer“,taz vom 17. 10. 17

Eigentlich ist ja in der taz Jost Maurin für die schlechten Seiten der Landwirtschaft zuständig, jetzt steigt auch Kai Schöneberg darauf ein: Die Tatsache, dass ein Produkt nicht nur immer billiger werden kann, wie es inflationsbereinigt seit bald 40 Jahren stattfindet, und es mal Bauern gibt, die von dem Erwirtschafteten leben können, wird schon in der Überschrift überheblich dargestellt.

Ich glaube, die Städter vergessen manchmal die Solidarität mit der Landbevölkerung: In der BRD sind die Lebensmittelpreise EU-weit auf dem niedrigsten Stand, und das seit Jahren! Gleichzeitig sind die Kosten für Produktionsmittel und Handwerkslöhne EU-weit eher oben angesiedelt. Nach langen Jahren, wo der 24/7-Bauer eine Arbeitszeitentlohnung von 3 bis 8 Euro hatte, wird ihm noch eine „gute“, das heißt gerade auskömmliche Entlohnung madig gemacht.

Und, ach ja, man braucht 20 bis 25 Liter Milch für 1 Kilogramm Butter, und übrigens bekommt beim Verkauf des Kalbes mit 2 bis 3 Wochen der Bauer 6 bis 20 Euro dafür. Und apropos Schweine teuer: Für ein schlachtreifes Schwein mit 120 Kilogramm Lebendgewicht gibt es satte 135 Euro vom Metzger. Wollt ihr nicht in die Landwirtschaft einsteigen? Klingt doch verlockend.

Ulrich Gottschalk, Herrischried

45 Cent für die Bauern

betr. „Die Butter ist derzeit einfach schweineteuer“,taz vom 17. 10. 17

Heute im Wirtschaftsteil stand leider wieder, dass die Bauern nur 35 Cent für den Liter Milch brauchen. Das ist falsch. Bitte lest doch einmal, was die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) dazu schreibt oder der Bund deutscher Milchbauern (BDM) oder das European Milkboard. Und lest nicht nur die Propaganda vom Bauernverband oder aus Brüssel. Die Bauern brauchen 45 Cent pro Liter. Fragt gerne auch in Brodowin oder bei Bioland oder, oder nach. In Belgien lagen die Erzeugerkosten 2016 bei 41 Cent! Elisabeth Meyer-Renschhausen, Berlin

Unendlich gleichgültig

betr. „5 Dinge, die wir diese Woche gelernt haben“,taz vom 7./8. 10. 17

Die Zahl der „Zeitenwenden“, „Revolutionen“ und „neuen Ären“ in Wissenschaft, Technologie und allen möglichen andern Bereichen unserer Zivilisation, die allein schon während meines kurzen Erden­daseins in immer schwindelerregenderer Folge die Weltöffentlichkeit bestürmt haben, geht ins Astronomische. Wie viele von ihnen den „Universum“ genannten Forschungsraum umkrempelten, könnte ich unmöglich beziffern, aber ohne Zweifel ist das vor Kurzem hienieden registrierte Echo kosmischer Fu- und Kollisionen nicht die erste. Nun, Respekt den Entdeckern! Sie verstehen ihr Handwerk, auch wenn das Universum all die himmelstürmenden Zeitenwenden immer nur mit unendlicher Gleichgültigkeit quittiert, vergangene wie künftige. Mir kümmerlichem Erdenwurm jedoch verdreht das Rasen und Wirbeln der unentwegten Zeitenrotationen nur den Kopf, und vom mentalen Schleudertrauma wird mir der Sinn fürs Hier und Jetzt ganz stumpf.

Manchmal aber lässt mein Geist den kleinen, stillen Sensationen meines Alltags wieder mehr Entfaltungsraum als all dem lauten Rufen von der Beflügelung der Menschheit durch Fortschritt und Erkenntnis und Rekorde, und da dämmert mir dann immer, dass Letzteres womöglich weniger der Widerhall aus den unermesslichen Tiefen von Raum und Zeit und Phänomenen ist als vielmehr das ohrenbetäubende Klappern der allgegenwärtigen PR-Mühlen, welches nun mal – wie schon die Alten wussten – zum Handwerk dazugehört.

Benjamin Kradolfer, Bellach, Schweiz

Anti-AfD-Bekenntnisse

betr. „Maus im Elefantenrennen“,taz vom 17. 10. 17

Ich stimme Ulrich Schulte in seiner Bewertung der letzten beiden Wahlergebnisse für die Grünen überwiegend nicht zu. Es geht gar nicht so sehr um das Jamaikabündnis im Bund an sich, sondern um die Kröten, welche das grüne Spitzenduo in der aktuellen Situation wird schlucken müssen, wenn es unbedingt an die Macht will. Jamaika kommt für die Grünen im Bund zur völlig falschen Zeit.

Die Grünen hatten im Bund noch kurz vor der Wahl Umfrageergebnisse, welche Ängste wegen der 5 -Prozent-Hürde auslösten, hatten dann aber doch noch ein vergleichsweise passables Wahlergebnis.

Wenn ich mir alleine mein eigenes Umfeld ansehe, wer sich da alles im allerletzten Augenblick schnell noch für die Grünen umentschieden hatte, der wegen des unbedingt regierungswilligen, unionsnahen, grünen Spitzenduos KGE/Özdemir eigentlich diesmal gar nicht grün wählen wollte, dann wird mir verständlich, warum sich der Wind am Wahltag plötzlich noch drehte: Es waren überwiegend eindeutige Anti-AfD-Bekenntnisse – trotz des grünen Spitzenduos. Das ändert aber nichts daran, dass es in der grünen Wählerklientel einen starken, politisch linken, vor allem sehr deutlich antirassistischen Arm gibt, der schon die Positionierung von Cem Özdemir und Kathrin Göring-Eckardt in Richtung Kuschelkurs auf die Union nicht mitgehen wollte und den man als Wähler dauerhaft verlieren wird. Dass in Niedersachsen, wo die AfD keine herausragende Rolle spielt, dieser politische Arm der Grünen oftmals SPD und sogar die Linke wählte, ist völlig logisch.

Die Union kann es sich im Bund ein Jahr vor der wichtigen Bayernwahl gar nicht leisten, in Fragen wie Flüchtlings- und Migrationspolitik auch nur ansatzweise den Grünen entgegenzukommen. Mit solchen Kompromissen in Jamaika verlieren die Grünen allerdings eine fundamental und vor allem glaubwürdige Basis ihres bisherigen Wertekanons, ähnlich der SPD mit Schröders Agenda.

Den Grünen im Bund kann bei der nächsten Bundestagswahl das Gleiche passieren wie der FDP vor 4 Jahren und in Vorbereitung darauf bei zahlreichen der nächsten Landtagswahlen, vor allem in den alten Bundesländern, wo es weltanschaulich für viele bisherige grüne Wähler durchaus auch die Linke als Option gibt, ja aktuell sogar die SPD. Ewald Beck, Bad Homburg

Im Märchenland

betr. „Sie oder das Parteiprogramm“,taz vom 17. 10. 17

Liebe taz, mir blieb vor Staunen der Mund offen stehen, als der „linksradikale Denker“ Thomas Seibert mit den Worten der „großen Vorsitzenden Angela“ Sahra Wagenknecht des ideologischen Sündenfalls überführte. Da wären selbst die Angehörigen der Sektion Marxismus-Leninismus, die ich in Jena erleben konnte, verblüfft gewesen.

Bezüglich der Migration hatte ich an Frau Kipping die Anfrage gerichtet, wie sich das von ihr befürwortete Projekt des bedingungslosen Grundeinkommens mit den ebenfalls von ihr befürworteten offenen Grenzen verträgt. Ich bekam bisher keine Antwort darauf und denke, eine schlüssige Antwort wird es dann geben, wenn wir im Märchenland leben werden. Hans Süßenguth-Großmann, Jena

Kriegssimulation

betr. „Töten per Mausklick – Proteste gegen ITEC“,taz vom 17. 10. 17

Wie der Pressesprecher der Messe, Markus Vogt, zu dem Schluss kommen kann, dass die ITEC „definitiv keine Waffen- oder Militärmesse“ sei, ist rätselhaft. Irgendwas kann an seinen Unterlagen nicht stimmen, wenn man unterstellt, dass er die Öffentlichkeit nicht absichtlich hinters Licht führen will. Er sollte mal in die Stuttgarter Zeitung schauen, dort steht in einem Artikel über die ersten Proteste: „Das Gastspiel der Militärmesse ITEC, bei der es auf dem Gelände der Landesmesse Stuttgart im Mai 2018 um Computerprogramme für Kriegssimulation, Drohnentechnik und Raketenabwehr gehen wird, könnte in Stuttgart einmalig bleiben.“

Manuela Kunkel, Stuttgart

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