Bernhard PötterWir retten die Welt: Jetzt bewiesen: Wir sind doof
Freitagnachmittag, ich musste schnell nochmal los. Irgendwie dachte ich, es gehe mit dem Auto schneller. Kaum losgefahren, klemmte ich auch schon im Stau. Es ging nicht vor und nicht zurück. Mit dem Fahrrad wäre ich schneller gewesen, selbst zu Fuß hätte ich mehr Strecke gemacht. Keine gute Entscheidung.
Meine Bekannte S. berichtet von ihrem Wochenende mit Freundinnen. Auf Mallorca. Zweieinhalb Tage in der Sonne plus Direktflug. Sie ist ein normal intelligenter Mensch. Aber fliegt wider besseres Wissen.
Jedes Jahr verlassen Hunderte neue chemische Substanzen unsere Fabriken, ohne dass wir wissen, was genau sie in der Welt so anrichten. Wir haben nicht einmal eine Übersicht über diese neuen Kunststoffe. Erstaunlich. Und ziemlich bescheuert. Die Landwirtschaft sprüht Gift mit dem toxischen Namen Neonicotinoide in die Gegend. Das killt nicht nur „Schädlinge“, sondern auch Bienen und Schmetterlinge. Die Tiere, die unsere Äpfel und Pflaumen bestäuben. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Insekten in Deutschland wahrscheinlich um 75 Prozent zurückgegangen. Drei von vier Käfern sind weg. Wir tun so, als ginge uns das nichts an.
Jährlich verbrennen wir so viel Kohle, Öl und Gas, dass wir die Luft mit dem Klimagas Kohlendioxid anreichern. Wir bringen das jahrtausendealte Gleichgewicht von Atmosphäre, Ozeanen und Boden aus dem Gleichgewicht, ein riesiges chemisches Freiluftexperiment mit hochriskanten Folgen.
Weltweit zerstören wir im rasanten Tempo die Wälder. Wir lassen genmanipulierte Lachse in die Umwelt entwischen, die die wilden Bestände gefährden. Wir sehen zu, wie der fruchtbare Ackerboden durch unsere Art der Landwirtschaft verschwindet. Und den Rest bauen wir mit Fashion Outlet Centern zu. Wir schmeißen so viel Plastik rum, dass es inzwischen in der Nahrungskette der Ozeane angekommen ist. Jeden Tag treffen wir furchtbar dumme Entscheidungen, die gegen unsere Interessen gehen.
Der Mensch ist leider kein Homo oecologicus, wie es die Grünen lange dachten – und sich wunderten, dass die Menschen sich nicht ihr unvernünftiges Auto wegnehmen ließen. Aber er ist auch kein Homo oeconomicus, wie es die Wirtschaftswissenschaften lange behauptet haben – und sich wunderten, dass die Menschen einfach nicht taten, was sie laut ihrer Modellrechnungen tun sollten. Der Mensch, wir fassen das mal so zusammen, handelt nicht immer rational. Er hat Vorlieben und Abneigungen und entscheidet nicht immer danach, was ihm am meisten Vorteil bringt. Häufig macht er genau das Gegenteil. Wissen wir schon. Wo ist da die Neuigkeit?
Das Neue ist: Wenn man US-Ökonom ist und Richard Thaler heißt, dann kann man für diese Einsicht einen Wirtschafts-Nobelpreis bekommen.
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