Beate Scheder
Schaut sich in Berlins Galerien um
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Wie schade, dass Briefeschreiben aus der Mode gekommen ist und man statt handgeschriebener Zeilen fast nur noch Rechnungen und Werbung aus dem Postkasten fischt. Noch bedauerlicher erscheint es, während man bei Chert Lüdde die erstaunlichen Postkarten, Briefe und Umschläge durchsieht, die dort gerade ausgestellt werden, dass damit auch die große Zeit der Mail-Art der Vergangenheit angehört. „Mail art is a golden shower“ steht auf einer der Karten. Carl Andre hat sie im Jahr 1983 in New York abgeschickt, adressiert an Ruth Wolf-Rehfeldt in Ost-Berlin.

Aus Wolf-Rehfeldt und Robert Rehfeldts Archiv ist die Ausstellung zusammengestellt. Sie präsentiert all die Korrespondenzen, die das Künstlerpaar zwischen den 1970er und den frühen 1990er Jahren von anderen Mail-Art-Künstler_innen aus aller Welt zugeschickt bekamen und deren Nachname mit A beginnt. Dazu erscheint ein Katalog, der jede einzelne davon in Originalgröße abbildet. Man ahnt es: A ist erst der Anfang. Publikationen zu den restlichen Buchstaben sollen folgen (bis 11. 11., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Ritterstr. 2a).

In Irma Blanks Alphabet gibt es kein A. Nur aus sieben Buchstaben, aus c, d, h, j, l, r und t setzen sich ihre „Global Writings“ zusammen – zu sehen bei Gregor Podnar. Bei handschriftlichen Aufzeichnungen verschwimmen die Lettern gar zu bloßen Zeichen. Lesen lässt sich nichts, egal wie sehr man sich auch bemüht, die Schriften Sprachen, Kulturen oder einer Bedeutung zuzuordnen. Um Semantik geht es Blank ohnehin nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Dem Magazin Artforum hat die 1934 geborene Künstlerin einmal gesagt, sie versuche immer noch die Welt zu lesen während sie schreibe; Schreiben sei ihr Werkzeug, um die Welt zu verstehen. Am schönsten lässt sich das bei den Arbeiten Blanks nachempfinden, die nicht maschinell, sondern mit Bleistift oder Tinte aufs Papier gebracht wurden (bis 18. 11., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Lindenstr. 35).

An Lesbarkeit mangelt es der raumgreifenden Installation von Barbara Kruger, die derzeit bei Sprüth Magers zu sehen ist, nicht. Von Wänden und Boden knallt die Künstlerin den Besucher_innen ihre schriftlichen Statements direkt ins Gesicht, egal wo sie dieses auch hinwenden. Es gibt kein Entkommen. Ein Zitat aus George Orwells „1984“ ist dabei – „If you want a picture of the future, imagine a boot stamping on a human face – forever“ – und eines aus Virginia Woolfs feministischem Essay „A Room of One’s Own“, der Rest stammt von Kruger selbst. „Nicht glauben, zweifel“, mahnt sie an. Wahre Worte, zweifellos (bis 22. 12., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Oranienburger Str. 18).