: Kleinstunternehmen verbessern
Serie Kunsträume 3 Kunst zu verkaufen, ist kein einfaches Geschäft, schon gar nicht für die Produzierenden selbst. Das zu lernen, ist ein Anliegen des „Berlin Kreativ Kollektivs“
von Annika Glunz
Ist es gegenwärtig eigentlich möglich, als KünstlerIn von der eigenen Arbeit zu leben? Wenn Versicherungen und Steuern bezahlt werden müssen, dann muss es über den bloßen Schaffensprozess hinaus auch um den Verkauf der eigenen Produkte gehen. Um nicht zusätzlich Geld für Ausstellungsräume ausgeben zu müssen, nutzen viele Kreative schon lange Online-Shops – und vermehrt auch „Pop Up Shops“ – Einzelhandelsläden, die vorübergehend in leer stehenden Räumen betrieben werden.
Gerade befindet sich ein solcher Laden direkt gegenüber des Mauerparks. Noch bis zum 3. Oktober nutzen 30 verschiedene DesignerInnen die Räume eines Co-Working-Spaces in der Bernauer Straße, um Arbeiten zu präsentieren und zu verkaufen – vor allem aber, um sich mit ihren BesucherInnen täglich in Workshops und Gesprächsrunden auszutauschen.
Alle DesignerInnen sind Mitglieder des „Berlin Kreativ Kollektivs“ (BKK), eines seit 2011 bestehenden Netzwerks aus Berliner KünstlerInnen, DesignerInnen und Kreativen. Geleitet wird es von acht Frauen gemeinsam: „In den letzten drei Jahren hat das Kollektiv einen starken Zuwachs an Mitgliedern bekommen. Die Leute kommen aus der ganzen Welt, dadurch gibt es einen enormen Input und Möglichkeiten, voneinander zu lernen und sich zu unterstützen“, so Emma Wood, Vorsitzende des BKK. „Der Austausch ist auch deshalb so wichtig, weil es eben nicht nur darum geht, seine Produkte zu verkaufen, sondern auch die eigenen Skills“.
Der „Design Jungle“ ist bereits der vierte Pop Up Shop, den das Kollektiv eröffnet hat; neben regelmäßigen Treffen organisierte das BKK bereits etliche Workshops und eine zweitägige Konferenz. Im jetzigen Pop Up Shop wird es sowohl Workshops zur Herstellung von Schmuck, Kerzen und Drucken geben als auch über umweltfreundliche Herstellungsprozesse, Rechtsfragen und unternehmerische Praxis.
„Es ist faszinierend: Wenn wir uns treffen, ist da immer so viel Input – und letztlich machen wir doch alle das Gleiche“, stellt Pablo Moura fest, der im „Design Jungle“ seine Keramik-Arbeiten ausstellt – und der der einzige Mann im Laden ist: „Schon ein bisschen einschüchternd“, merkt er an.
Vom Eigenbedarf zum Öko-Label
Die meisten Teilnehmenden des „Design Jungle“ kamen via Internet mit dem BKK in Berührung – über Online-Shops und soziale Netzwerke. So auch Nele Hoffmann, die im Pop Up Shop Kalender, Karten und Notizblöcke verkauft: „Anfangs habe ich nur für mich selbst Kalender gemacht – immer mit dem Vorsatz, sie so umweltfreundlich wie möglich herzustellen. Irgendwann startete ich über facebook einen Versuch, sie zu verkaufen. Die Nachfrage war so groß, dass ich beschloss, meine Kalender über Onlineshops wie „Dawanda“ und „Etsy“ zu verkaufen. So lernte ich auch das BKK kennen, und mittlerweile habe ich mein eigenes Öko-Label“.
Annemarie Schumacher zeichnet leidenschaftlich gern und verkauft Portraits berühmter SängerInnen: „Ich muss eben die Herzensangelegenheiten mit Kommerz kombinieren“, räumt sie ein. Im BKK ist sie zuständig für die Bildungsarbeit und bietet regelmäßig Workshops für KleinstunternehmerInnen an.
Carme Garcia Cirer ist eigentlich Architektin, konzentriert sich jetzt aber auf Schmuckdesign: „Diese Form der Handarbeit bietet so viel mehr Freiheit“. Für ihren Schmuck verwendet die gebürtige Mallorquinerin hauptsächlich organisches Material, dessen Weiterverarbeitung sowohl mit einigem Aufwand als auch mit Kosten verbunden ist: „Ich arbeite für die Seele, es ist absolut nicht wirtschaftlich, was ich mache“, so die Künstlerin, „manchmal muss ich mich selbst schon in meiner Arbeit bremsen, um mich nicht in Unkosten zu stürzen“.
Der blinde Fleck der Politik
Unkosten – sie sind ein zentraler Dreh- und Angelpunkt sein für KleinstunternehmerInnen. Wie schafft man es, die ästhetischen Ansprüche mit der Arbeit für den Lebensunterhalt zu verbinden? Iris Pohlgeers hat sich dieser Frage angenommen. Gemeinsam mit anderen BKK-Mitgliedern organisiert sie das „Makers Matter“, ein einjähriges Forschungsprojekt, das zum Ziel hat, Bedingungen von kreativen Kleinstunternehmen in Berlin auszuloten: „Für die Politik ist das zur Zeit noch ein blinder Fleck“, so Pohlgeers. Neben der Erhebung von Daten werden im Rahmen des „Makers Matter“ themenspezifische Coachings und Workshops stattfinden: „Es gibt so viele Fragen, die noch ungeklärt sind, gerade was die Online-Shops betrifft. Wenn die DesignerInnnen ihre Produkte in die ganze Welt verschicken, dann werden sie plötzlich von Einzel- zum GlobalunternehmerInnen. Wie sind dann überhaupt die Rechte für Versand, Zoll und Haftung?“, schildert Pohlgeers ein Beispiel.
Auch beim „Makers Matter“ stehen Austausch, gegenseitige Hilfe und Förderung an erster Stelle – selbstorganisiertes künstlerisches Leben also. Thematisch jedoch wird es viel um Unternehmensführung, Vermarktungsstrategien und Geschäftsmodelle gehen – hier wird der Inbegriff dessen gelebt, was wohl gemeinhin unter „Kreativwirtschaft“ oder Kommerzialisierung von Kunst verstanden wird. Unter Berücksichtigung der Umstände jedoch, in denen die KünstlerInnen sich entschlossen haben zu arbeiten, scheinen solche Überlegungen notwendig.
Ähnlich dürfte es sich mit dem Phänomen der Pop Up Shops verhalten: Räumliche Zwischennutzungen, die sich auch als Politikum gegen geplanten Leerstand und steigende Mieten begreifen lassen, werden für kommerzielle Zwecke verwendet. Der erste Pop Up Shop wurde 2004 in Berlin von einem japanischen Modelabel eröffnet, und im weiteren Verlauf entdeckten auch Adidas, Louis Vuitton oder sogar der Einzelhandelsriese Wal Mart das Konzept für ihre Vermarktungszwecke. Pop Up Shops finden viele Nachahmer, da sie – meist fernab etablierter Einkaufsstraßen gelegen und in ihrer Einrichtung improvisiert – kaum Geld kosten. Die Vermarktungsstrategie geht auf: Da die Shops meist nach einigen Tagen, Wochen oder Monaten wieder verschwunden sind, müssen sich die KundInnen beeilen, um an die heiß begehrten Produkte zu kommen.
Zwar werden – abgesehen von den großen Handelsriesen – bei der Herstellung der in Pop Up Shops zum Verkauf angebotenen Waren oft durchaus ehrbare Absichten verfolgt: Kleidung aus wiederverwerteten Materialien, Papier, das den Regenwald schont. Dennoch geht es auch um die Absicht des Verkaufens: Wenn die Menschen ohnehin schon nicht auf den Konsum von Waren verzichten können, dann sollen sie dabei wenigstens nicht von schlechtem Gewissen geplagt werden. Und schließlich verkaufen die KünstlerInnen in den Läden nicht nur ihre Waren, sondern in den begleitend stattfindenden Workshops auch ihre Fähigkeiten, ihr Talent.
Nachvollziehbar scheint diese Entwicklung und vielleicht auch klug. Jedoch sollte ein solches Konglomerat aus ursprünglich widerständigem Gedankengut und wirtschaftsliberalen Positionen ein erhöhtes Quantum an Wachsamkeit erzeugen.
„Design Jungle“: 22.9.-3.10., Bernauer Straße 49
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