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Geschenk vom entfremdeten Onkel

Zeitschriften-Umschau Einhorn-Schokolade, -Duschgel und -Toilettenpapier gibt es längst, nun gibt’s auch ein Magazin mit Einhorn-Overload

So Einhorn ist Pastell! Foto: Abb.: Egmont Ehapa

von Laila Oudray

Der Bahnhofskiosk – unendliche Weiten: Knapp 1.600 Publikumszeitschriften schwappen regelmäßig in die Regale. In loser Folge und streng nach dem Zufallsprinzip stößt das taz-Medienressort in Parallelwelten vor, die manche menschliche Wesen regelmäßig aufsuchen, auf der Suche nach genau der Zeitschrift, die ihrem Leben den ganz speziellen Sinn gibt. Heute: Die „Zauberhafte Einhornwelt“ ist weniger zauberhaft als vielmehr penetrant.

Wie sieht es aus? Typische Mädchenzeitschrift. Dünnes Papier, auch für den Umschlag. Einmal unvorsichtig in die Tasche gesteckt und schon hat man überall Eselsohren und Risse. Das wirkt billig. Farblich gibt es die ganze Palette an Pastellfarben. Jede Seite ist mit Comic-Herzen, Einhörnern, Sternen, Regenbögen und Glitzer überladen. Weißraum gibt es überhaupt keinen. Dadurch wirkt die Zeitschrift unruhig und die wenigen Texte im Heft gehen unter.

Was steht drin? Wenig. Die Zeitschrift ist nicht gerade anspruchsvoll. Es gibt Quizze („Wie Einhorn bist Du?“), ein paar Prominentengeschichten („Wie Einhorn ist bitte schön Taylor Swift“) und ein Horoskop („So Einhorn bist Du diese Woche“). Die Schwerpunkte des Heftes sind die Extras und Malseiten. Und das sind, Überraschung: Einhörner. Zum Heft gibt es mehrere Einhorn-Poster im Comicstil, einen Einhorn-Notizblock und eine kleine Einhorn-Figur, die stark nach Plastik riecht. Auf den Malseiten sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt – solange man ein Einhorn malt.

Die wenigen Texte, die es gibt, drehen sich um Freundschaft. Diese Texte sind kurz und oberflächlich, aber dennoch teilweise erfreulich progressiv. Es gibt zum Beispiel Ratschläge, wie Freund*innen sich untereinander bei ihren Vorhaben unterstützen können – egal ob man nun YouTuber*in oder Astronaut*in werden will. Der Subtext lautet: Beides ist okay und Kinder können auch beides werden. Das ist die schöne Aussage.

Außerdem gibt es Anleitungen für kleine, harmlose „Magierituale“, die ohne viel Equipment auskommen. Sie wirken vielleicht ein bisschen albern, aber eigentlich sind sie doch niedlich und man kann sich gut vorstellen, dass man sie selbst als Kind auch gemocht hätte.

Ein großes Manko: Die Sprache ist vollständig auf Mädchen ausgerichtet. Bei den Tipps wird immer beschrieben, wie man „der Freundin“ was Gutes tun kann. Dass vielleicht Mädchen auch mit Jungs befreundet sind, lässt man da wieder mal außen vor. Dabei sind die Tipps an sich ja eigentlich genderneutral.

Außerdem nervt das allgegenwärtige Einhorn-Thema irgendwann gewaltig. Auf jeder Seite tummeln sich mindestens fünf Exemplare. Es geht nicht mehr nur darum, dass man diese Tiere mag, sondern dass man selbst eins ist. Nach Ansicht der „Einhornwelt“ ist man schon ein Einhorn, wenn man sich durch die Haare fährt. Das wirkt fast schon gruselig, unauthentisch und auch verbissen.

Auf den Malseiten sind der Fantasie keine Grenzen ­gesetzt – solange man ein Einhorn malt

Wer liest es? Angepeilte Zielgruppe sind Mädchen von vier bis acht. Dabei scheinen die Texte in ihrem Stil jedoch eher für Zehn- bis Elfjährige angemessen. Die anstrengende Daueranwesenheit der Einhörner macht die Zeitschrift für Erwachsene derweil unerträglich.

Wer macht es? Ein winzig kleines Team des Kinderzeitschriftenverlags Egmont Epaha.

Warum kauft man es (k)ein zweites Mal? Die Zeitschrift soll nur einmalig erscheinen, und das merkt man ihr auch an. „Die Zauberhafte Einhornwelt“ ist der lieblose Versuch eines Verlags, auf den Einhorn-Zug aufzuspringen. Sie ist ein 0815-Marketingprodukt. Das Regal ist voll mit ähnlichen pinken Mädchenzeitschriften – hier gibt es dann eben noch mal dasselbe mit vielen Einhörnern.

Zwar haben die Texte kleine Höhepunkte, doch unterm Strich ist die „Zauberhafte Einhornwelt“ viel zu seicht und wird kaum ein Kind sehr lange beschäftigen. Trotz all der Gimmicks ließen sich die 3,99 Euro vermutlich besser investieren. Das ist äußerst schade, man hätte viel mehr daraus machen können. So wie sie ist, dient diese Zeitschrift eigentlich nur als Verlegenheitsgeschenk vom entfremdeten Onkel, der sie auf die Schnelle noch an der Tankstelle besorgt hat. Das ist leider ganz und gar nicht Einhorn.

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