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„Kuhhandel“ im Schafs-Land

Neuseeland Premier Bill English und seine konservative National-Partei gewinnen die Wahlen, brauchen aber einen Koalitionspartner. Das könnten die Ultrarechten sein

Für einen Sieg hat es bei diesen Wahlen noch nicht gereicht: Labour-Kandidatin Jacinda Ardern Foto: Nick Perry/ap

von Urs Wälterlin

WELLINGTON taz | Die Parlamentswahlen in Neuseeland am vergangenen Samstag haben noch keinen klaren Sieger hervorgebracht. Die regierende National-Partei von Premierminister Bill English (55) erhielt zwar solide 46 Prozent der Wählerstimmen oder 58 Plätze im 120 Sitze zählenden Parlament. Trotzdem ist den Konservativen die Regierung noch nicht erneut sicher. Erst ein Abkommen mit Kleinparteien, allen voran der ultrarechten NZ First (Neuseeland Zuerst), könnte zu einer Koalition führen.

Nicht so gut abgeschnitten wie von vielen der 4,7 Millionen Neuseeländerinnen erhofft hat die oppositionelle Labour-Partei. Sie schaffte es auf voraussichtlich 45 Sitze (35,8 Prozent). Die 37-jährige Vorsitzende Jacinda Ardern hatte mit ihrer gewinnenden Art und Eloquenz in nur sieben Wochen nach ihrer Ernennung zur Parteichefin einen Sieg der Sozialdemokraten in greifbare Nähe gerückt.

Trotz des Wahlergebnisses kann es sein, dass Ardern doch noch zur jüngsten Premierministerin der neuseeländischen Geschichte wird. Denn jetzt beginne der „Kuhhandel“ mit kleineren Parteien, wie ein Kommentator am neuseeländischen Fernsehen meinte. Allen voran die populistische, rechtskonservative und fremdenfeindliche New Zealand First, die es auf über sieben Prozent der Stimmen gebracht hatte, und die Grünen mit sechs Prozent werden ihre Macht ausspielen – in beiden politischen Lagern.

Gelingt es Ardern, sich mit beiden Parteien zu einigen, könnte sie eine Koalitionsregierung bilden. Doch NZ First und die Grünen unter einen Hut zu bringen, ist wie Wasser und Öl zu mischen – ihre politischen Ziele und Ideologien sind sehr unterschiedlich.

Ardern hatte noch am Samstagabend klargemacht, an ihren im Wahlkampf vorgestellten Programmen festhalten zu wollen: mehr Geld für Ausbildung, mehr Wohnraum, weniger Jugendarmut und ein besserer Schutz der Umwelt. Auch hatte sie versprochen, als Premierministerin die Notenbank reformieren zu wollen.Ein Unsicherheitsfaktor, der sich noch zu Gunsten von Labour auswirken könnte: laut Medienberichten müssen 384.000 per Briefpost aus dem Ausland oder vorzeitig abgegebene Stimmen noch ausgezählt werden. Der Erfahrung nach wählen solche Stimmbürger eher progressiv, erläuterte die neuseeländische Journalistin Heather Ramsey am Sonntag. „Bei den letzten Wahlen legten die Grünen nach der Auszählung dieser Stimmen um einen Platz zu“, meinte die Kommentatorin.Auch Premierminister Bill English wird es in den Verhandlungen mit NZ First nicht einfach haben. English machte mit einem Versprechen für Steuersenkungen Wahlkampf – nicht unbedingt, was die Minderheitenpartei wesentlich beeindruckt. NZ First ist stark protektionistisch eingestellt – im Gegensatz zur Regierungspartei, die sich einer freien Marktwirtschaft möglichst ohne Zollschranken verschrieben hat.

Die Politik des grenzenlosen Handels hat sich in den letzten Jahren zumindest auf den ersten Blick für Neuseeland gelohnt: Das BIP ist im vergangenen Jahr um vier Prozent gewachsen, die Arbeitslosigkeit liegt bei fünf Prozent.

384.000 Briefwahlstimmen müssen noch ausgezählt werden. Hier könnte Labour noch zulegen

Der chronische Mangel an Wohnraum hat jedoch zu einer dramatischen Erhöhung der Preise für Immobilien geführt. Vor allem unter jüngeren „Kiwis“ steigt die Frustration darüber, nicht mehr wie die Generation ihrer Eltern ein Eigenheim erwerben zu können. Nicht zuletzt aus diesem Grund versprach Ardern, im Falle ihres Sieges die Einwanderungsquote von über 70.000 pro Jahr um 30.000 Neuzuzügler reduzieren zu wollen. Immigranten erhöhen den Druck auf den Immobilienmarkt.Zumindest in diesem Punkt sind sich Ardern und die immigrationsfeindliche NZ-First unter deren erratischem Vorsitzendem Winston Peters einig. Beobachter glauben jedoch, jegliche Koalition einer der Großparteien mit NZ First habe „das Potenzial, zu einem Gegenwind für die wirtschaftliche Entwicklung zu werden“, so Hans Redeker vom US-Investor Morgan Stanley in einer Notiz vor den Wahlen.

Auch die neuseeländische Währung könnte Opfer politischer Instabilität werden. „Eine solche Regierung könnte auf den Märkten eine „Anti-Kiwi“-Reaktion auslösen“, so Viraj Patel, Währungsstratege bei der in Amsterdam ansässigen Finanzinstitution ING.Beobachter glauben, dass es noch bis Mitte Oktober dauern könnte, bis eine neue Regierung gebildet ist. Die Journalistin Heather Ramsey zeigte sich überzeugt, dass Jacinda Arderns Zukunft gesichert sei. Es sei nicht korrekt, zu behaupten, Ardern sei nur bei jungen Neuseeländern beliebt. „Sogar meine über 80 Jahre alten Eltern sagen, Jacinda sei wunderbar. Sie ist die Schwester, Tochter, Tante und Freundin die sich jeder wünscht.“

Auch wenn Ardern jetzt nicht Premierministerin werde, „hat sie das Fundament für eine stärkere Opposition gelegt – und einen Wechsel der Regierung bei den nächsten Wahlen in drei Jahren“, so die Kommentatorin. Dieser Zeitpunkt könne auch wesentlich früher kommen, „wenn ein Abkommen zwischen der National-Partei und NZ First scheitern wird“.

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