: „Blutende Veggieburger“
Trendbarometer Die dritte Berlin Food Week beginnt am 14. Oktober: Mehr als 35.000 Besucher werden wieder erwartet, die Zahl der „Foodies“ wächst stetig
Von Michael Pöppl
Die Food Week startet bezirksübergreifend an mehreren Orten der Stadt: Im Bikini Berlin im alten Westen, im House of Food im alten Kaufhaus Jandorf in der Brunnenstraße, in der Station Berlin nahe dem Gleisdreieck oder der Miele Galerie an der Straße Unter den Linden. Dazu kommen 64 Restaurants, die sich am „Stadtmenü“ beteiligen und während der Food Week zur „Pilzparade“ einladen. Neben populären Events wie der Preisverleihung der „Berliner Meisterköche“ finden beim „Branchentreff“ vor allem viele Fachgespräche statt. Die interne Fachmesse innerhalb der Food Week richtet sich an Profiköche und Gastronomen, aber auch an Produzenten, Lebensmittelindustrie und Handel. Ein spannender Tagesordnungspunkt ist dabei der Gastro-Gründertag. Junge Start-ups treffen hier auf Gastronomie-Experten, Fragen und Tipps rund ums Gründen stehen im Mittelpunkt, es geht um Marketing, die Finanzplanung oder auch um den Umgang mit Behörden. „Wichtiger ist uns, dass sich diejenigen, die gute Ideen haben, in der Öffentlichkeit präsentieren können und sich die Mitglieder der Branche vernetzen und gegenseitig inspirieren“, so Veranstalter Jakob Schreyer von orderbird, der auch den „Gastro-Gründerpreis“ ins Leben gerufen hat.
Natürlich wird es an vielen Messeständen auch um die neuesten Foodtrends gehen, wie zum Beispiel „Blutende Veggieburger“ und „Heuschreckenchips“ aus den USA, doch nachhaltige Themen wie gesunde Ernährung, Umweltschutz oder Lebensmittelverschwendung spielen in der Gastronomie ebenfalls eine immer größere Rolle. Die Köchin und Journalistin Sophia Hoffmann zeigt in ihrem erfolgreichen YouTube-Blog, wie man in der eigenen Küche Verpackungen sparen und Müll vermeiden kann. Bei ihrer Liveshow „Zero Waste Cooking“ im Bikini Berlin setzt sie dazu auf kreative vegetarische Küche: „Dabei kann man fast alles verwenden, hat kaum Abfall und kann auch mit Kräutern wie Giersch oder Löwenzahn kochen, die im Garten wachsen und als Unkraut gelten.“
Ein Trendthema, das die Gastronomie in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt hat, ist die Fermentation, die Haltbarmachung und Veredlung von Lebensmitteln. Der Künstler Markus Shimizu hat durch seine japanische Großmutter den Umgang mit Koji, einem Schimmelpilz, erlernt, der seit Jahrhunderten genutzt wird. Zusammen mit Sternekoch Marco Müller vom Rutz wird er auf der Food Week einen Koji-Workshop leiten, bei der die beiden Fermentationsprofis auch Stör veredeln wollen. „Koji wird traditionell für viele Lebensmittel wie Reis, Sake, Essig oder Miso eingesetzt“, sagt Shimizu, „er erfordert eine große Achtsamkeit bei der Verwendung, es darf nicht zu trocken und nicht zu feucht sein.“ Vor mehr als zwölf Jahren nutzte er Koji erstmals in der eigenen Küche, heute werden seine „mimi ferments“, Miso, Sojasauce oder Tempeh, in ausgewählten Delikatessenläden verkauft.
Auch neue Technikprodukte werden auf der Food Week vorgestellt. So wird die eigene Küche zum Gemüsebeet: Das Münchner Start-up agrilution stellt einen spülmaschinengroßen Gewächsschrank vor, mit dem man sich das „Vertical farming“ ins Haus holt. „Diese kleine Lösung für Selbstversorger funktioniert mit plug ’n’ grow“ so Gründer Max Lössl, „der PlantCube arbeitet mit LED-Lampen und einer computergesteuerten Technik, die auch für Menschen geeignet ist, die keinen grünen Daumen haben.“ Die Matten mit dem Saatgut von Spinat, Babymangold oder Feldsalat werden bereits mitgeliefert, das Gerät reguliert automatisch optimale Beleuchtung, Temperatur und Feuchtigkeit. Rund 100 der PlantCubes sind bereits an Testkäufer ausgeliefert, schon 2018 soll das Gerät für den autarken Lifestyle-Genießer marktreif sein.
Rund 35.000 Besucher aus aller Welt gab es 2016, ähnlich viele werden wieder erwartet. Vielen von ihnen wird es vor allem um den Spaß an gutem Essen an sich gehen. Über 5.500 Essen wurden im Vorjahr in den temporären Restaurants und an den Streetfood-Imbissen herausgegeben, über den Gesamtumsatz schweigen die Food-Week-Veranstalter. Kulinarischer Höhepunkt ist sicher die „Food Clash Canteen“ im alten Kaufhaus Jandorf: An vier Abenden werden dort insgesamt 27 Spitzenköche – wie Matthias Gleiß vom Volt oder Björn Swanson vom neu eröffneten Golvet – die offene Küche bespielen, um mit je einem Gang bis zu 180 Gäste zu beköstigen (99 Euro kosten die Karten fürs Menü inklusive Getränkebegleitung). Jedes Mal übernimmt ein anderes Team die Regie und verleiht dem Event die eigene Handschrift. Emanzipatorische Premiere: Beim Thema „FrauenWirtschaft“ am 17. 10. werden nur weibliche Küchenchefinnen die „Canteen“ übernehmen, darunter auch die Sterneköchin Maria Groß aus Erfurt, Haya Molcho vom israelischen Restaurant Neni oder Michèle Müller, die neue Küchenchefin des Quarré im Adlon.
Berlin Food Week, 14.–21. Oktober 2017, mehr Informationen und alle Termine auf www.berlinfoodweek.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen