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Seite an Seite für die Pressefreiheit

Solidarität Am Samstag lud die taz-Genossenschaft zur Mitgliederversammlung. Neben der Vorstellung des alljährlichen Geschäftsberichts ging es vor allem um die Blattreform

von Elisabeth Kimmerle

Freiheit hat einen Preis. Daran erinnert der Chefredakteur der taz, Georg Löwisch, als er am Samstag alte und neue GenossInnen zur alljährlichen Generalversammlung in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung begrüßt. Auf den Treppen vor dem Hauptsaal sitzen GenossInnen, die keinen Platz im voll besetzten Raum gefunden haben, und hören per Liveübertragung zu, warum das ausgerechnet in diesem Jahr aktueller denn je ist: Die Bedeutung der Pressefreiheit werde gerade immer wieder vorgeführt, sagt Löwisch und stellt klar: „Die taz ist frei, weil sie wirtschaftlich unabhängig ist.“ Diese wirtschaftliche Unabhängigkeit der taz sichern die 17.181 GenossInnen.

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für die taz. Es ist das Jahr, in dem die Genossenschaft 25 Jahre alt wird. Und das Jahr, in dem tragischerweise das erste Mal ein ehemaliger taz-Journalist in der Türkei für seine Arbeit inhaftiert wurde. Es ist aber auch das Jahr, in dem die taz als Reaktion auf die eingeschränkte Pressefreiheit in der Türkei das deutsch-türkische Solidaritätsprojekt taz.gazete auf den Weg brachte. Und schließlich ist es das Jahr, in dem die taz sich neu erfindet – mit einer Reihe neuer Projekte und mit einem neuen Erscheinungsbild. Doch der Reihe nach.

Kalle Ruch, Geschäftsführer der taz, bilanziert die Finanzen der taz im vergangenen Jahr. Das Wochenend- und E-Paper-Abo seien ertragreiche neue Abonnementformen. Bei ihnen ist Ruch zuversichtlich, dass sie durchaus noch ein paar Jahrzehnte überstehen. Die Abonnements der täglichen Printausgabe sinken hingegen. Besonders deutlich zeige sich die Zeitungskrise am Kiosk: Die dort verkauften Tageszeitungen machen nur noch 6 Prozent des Umsatzerlöses aus. Dennoch, schließt Ruch, sei es der taz gelungen, in den vergangenen sieben Jahren einen stabilisierenden Weg einzuschlagen.

„Es war ein gutes Jahr für die taz“, bestätigt der Wirtschaftsprüfer, „aber auch nur, weil man in der taz erfinderisch ist.“ Das, fügt er an, sei nicht negativ gemeint, im Gegenteil: In der taz habe man Gestaltungsräume.

Diese Gestaltungsräume sind Thema, nachdem der formale Teil der Versammlung abgeschlossen ist: Die Chefredaktion stellt die Blattreform vor, mit der die taz neue Wege beschreiten will. „Wir sind selbst auf die Idee gekommen, dass wir uns permanent verändern müssen, deshalb haben wir uns ein sehr ambitioniertes Programm für dieses Jahr gegeben“, sagt die stellvertretende Chefredakteurin Barbara Junge. Im Wissen darum, dass man sich nicht allein auf den Printjournalismus konzentrieren könne, habe man drei Entwicklungsgruppen gegründet, die sich mit der Blattreform, Konferenzen und Strukturen und dem Journalismus auf der Bühne beschäftigten.

Auch bei der Printzeitung stand eine Veränderung an: Die letzte Neugestaltung bekam die taz zu ihrem 30. Geburtstag im Jahr 2009. „Wir drucken jetzt bis an den linken Rand“, kündigt Georg Löwisch stolz das neue Layout an, in dem die taz ab dem 2. Oktober erscheinen wird. Damit spielt er auf die linke Spalte auf der Titelseite an, die in Zukunft entfallen wird.

Genoss*innenbesuch

Über 17.000 Genossinnen und Genossen sichern die journalistische Unabhängigkeit der taz. Am Wochenende kamen 406 von ihnen zur Mitgliederversammlung nach Berlin gereist.

Bereits Freitagabend fanden im taz-Stammhaus drei Runde Tische statt. Themen: Pressefreiheit in der Türkei inklusive Vorstellung von taz.gazete, 25 Jahre Wirtschafts- und Ökologie-Berichterstattung und eine Reflexion der Kampagne taz.meinland.

Samstagabend feierte die taz-Community Heldinnen und Helden bei der Verleihung des taz Panter Preises. Am Sonntag besuchten 150 Genoss*innen die taz-Konferenz und nahmen an einer Bauplatzführung zum taz-Neubau teil.

Die ArtdirektorInnen Janine Sack und Christian Küpker, die das neue Layout entworfen haben, zeigen den GenossInnen, wie sich die taz verändern wird: Kurzmeldungen fallen zugunsten von größeren Eigenrecherchen weg, die taz gönnt sich mehr Luft für eigene Themen. „Wir machen einen großen Schritt, aber in der Tonalität gibt es eine Kontinuität, die wir aufgegriffen und weiterentwickelt haben“, erklärt Janine Sack. „Die taz soll jeden Tag anders aussehen“, fügt Christian Küpker hinzu. Das Layout kommt beim Publikum gut an. Die GenossInnen zücken ihre Smart­phones und fotografieren die neuen Seiten, die an die Leinwand geworfen werden. Nur eins wird kritisiert: Die taz hat zu viele Bilder. „Kann sich die taz große Bilder leisten? Ich finde es schade, dass in letzter Zeit zu große Bilder für das kleine Format gedruckt wurden, weil das ein Minus für gute Texte bedeutet“, merkt eine Genossin an und bekommt dafür Applaus. „Mir persönlich ist das zu viel Weißraum“, sagt eine andere.

„Es gibt Leute, die brauchen ganz viel Weißraum: Menschen, die Texte in leichter Sprache lesen“, leitet die stellvertretende Chefredakteurin Katrin Gottschalk die Diskussion über zu den inhaltlichen Neuzugängen in der taz. Die taz-Redakteurinnen Christine Stöckel und Ju­lia­ne Fiegler haben mit Unterstützung der taz und der taz Panter Stiftung das Projekt taz.leicht gestartet. „Wir finden, dass jeder das Recht hat, sich informieren zu können. Wir wollen nicht nur über Inklusion schreiben, sondern verständlich für alle sein“, sagt Christine Stöckel. Damit sei die taz die erste überregionale Zeitung, die meinungsstark in leichter Sprache berichtet.

„Deniz’ Name steht stellver­tretend für alle, die die türkische Regierung mundtot machen will. Aber das schafft sie nicht, dafür steht taz.gazete“taz-Redakteurin Doris Akrap

Neben taz.leicht stellt sich die taz Panter Stiftung in ihrer Solidarität international auf: Sie fördert verschiedene Workshops für JournalistInnen aus Kuba, aus afrikanischen und osteuropäischen Ländern, bietet ein dreimonatiges Auszeitstipendium „Refugium“ für JournalistInnen aus Krisengebieten an und finanziert das deutsch-türkische Solidaritätsprojekt taz.gazete.

Für die türkischen JournalistInnen bei taz.gazete sei es nichts Neues, dass ihre KollegInnen von der Regierung als TerroristInnen bezeichnet werden, sagt die taz-Redakteurin Doris Akrap in ihrer Rede über Deniz Yücel. Seit er inhaftiert wurde, hat Akrap kein Wochenende mehr frei. Deniz’ Name stehe stellvertretend für alle, die die türkische Regierung mundtot machen wolle. „Aber das schafft sie nicht, dafür steht taz.gazete, dafür steht der Freundeskreis Deniz Yücel“, sagt Akrap und bedankt sich bei den GenossInnen für deren Unterstützung. „Das, was Sie machen, ist Solidarität. Wir können denen, die unschuldig im Gefängnis sitzen, zurufen: Ihr seid nicht allein, wir stehen hinter euch.“ Wenn Deniz Yücel auf der Generalversammlung wäre, da ist sich Akrap sicher, würde er sich tief verneigen aus Dankbarkeit. Im Publikum wischt sich der ein oder andere die Augen. Zum Schluss fordert Akrap die GenossInnen zu einer „Message an alle, die glauben, dass sie uns zum Verstummen bringen können“, auf: Hunderte GenossInnen halten #FreeDeniz-Schilder hoch. Weil Freiheit einen Preis hat.

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