Saleh im Anflug

ParlamentSeine nächste Gegnerin? In der Tegel-Debatte macht der SPD-Fraktionschef CDU-Chefin Grütters als abgehoben runter

Hier soll bald nichts mehr abheben: Blick auf den Tegel-Tower Foto: Stefan Boness/Ipon

von Stefan Alberti

Da sind sie wieder, die bekannten Argumente: Betrug am Wähler, Missbrauch eines Volksbegehrens, fest verabredete Flughafenschließung. Man lehnt sich zurück nach den ersten Sätzen von SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Hat man alles schon gehört. Bloß dass es im Abgeordnetenhaus an diesem Donnerstagmorgen etwas schärfer klingt – es sind ja auch nur noch zehn Tage bis zum Tegel-Volksentscheid und zur Bundestagswahl. Dann kommt Saleh plötzlich auf Monika Grütters zu sprechen, die CDU-Landesvorsitzende, in Sachen Tegel lange eher still. Er geht sie so persönlich an, dass man denkt: Da attackiert einer schon mal seine künftige Wahlgegnerin.

Die „Frau Professor Grütters“ (Grütters hat keinen Doktortitel, ist aber Honorarprofessorin an der FU, Anm. d. Red.) interessiere sich nicht für die Sorgen der normalen Leute, gibt Saleh zu verstehen. Die Frau Professor „besucht lieber Cocktailparties und lässt sich auf Luxusyachten im Mittelmeer fotografieren, aber wenn es drauf ankommt, verdrückt sie sich“. Saleh hätte sie auf der Besuchertribüne des Parlaments erwartet.

Professor. So hat schon Gerhard Schröder Politik gemacht. Mit seinem „Professor aus Heidelberg“ – sprich: akademisch abgehoben – diskreditierte Schröder 2005 im Wahlkampf die CDU-Steuerreform-Ideen des Juristen Paul Kirchhof.

Dass jetzt Saleh so redet, überrascht. Die rot-rot-grüne Koalition sieht zwar seit einigen Tagen einen Widerspruch darin, dass Grütters als CDU-Landeschefin Tegel offen halten will, als Kulturministerin aber den Hauptstadtfinanzierungsvertrag unterschrieb – darin ist von der Zeit nach einer Tegel-Schließung die Rede. Persönliche Attacken wie die von Saleh sind aber neu. Auch Regierungschef Michael Müller beschränkt sich in der Debatte auf das, was er für unvereinbar hält.

Wieso also die Sache mit den Cocktailparties? Grütters ist bei der Wahl als Direktkandidatin in Marzahn aussichtslos, keiner braucht sie deswegen zu diskreditieren, auch nicht beim Volksentscheid, bei dem andere die Gesichter der Kampagne sind. Selbst Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek nennt die CDU wegen ihrer Tegel-Politik bloß „der größte Wendehals ever“.

Bleibt nur die Möglichkeit, dass Saleh schon mal das Image einer Politikerin ankratzt, die er offenbar als Kontrahentin im nächsten Abgeordnetenhauswahlkampf sieht – als seine Kont­rahentin um den Posten des Regierungschefs. Und es deutet auf noch etwas hin: Dass Saleh nicht davon ausgeht, dass es erst turnusgemäß 2021 zu dieser Wahl kommt. Sonst würde er sich nicht schon jetzt abmühen.

„Frau Professor ­Grütters besucht lieber Cocktailparties“

SPD-Fraktionschef Raed Saleh

Sei es ein totaler Einbruch der SPD bei der Bundestagswahl, sei es ein Bruch der Koalition über den Themen Wohnungsbau oder Videoüberwachung: Es gibt wenige im Politikbetrieb, die ohne Zögern sagen, dass Rot-Rot-Grün unter Müller bis 2021 regieren wird. Zwar ist Saleh nicht mehr die klare Nummer zwei in der SPD hinter Müller – auch die Senatoren Geisel und Kollatz-Ahnen gelten als Nachfolgekandidaten. Aber Saleh selbst hält sich mutmaßlich weiter für die beste Variante.

Seine Grütters-Attacke fiele noch mehr auf, wenn er an diesem Morgen nicht auch sonst dick austeilte. Die CDU ist für ihn „eine einzige Gurkentruppe“, die FDP nennt er „Trickbetrüger und politische Hühnerdiebe“. Generelle Botschaft der Koalition ist, dass die FDP samt AfD und CDU das Instrument des Volksbegehrens missbrauche.

Was den Umgang mit einem erfolgreichen Volksentscheid angeht, bleiben die Positionen maximal auseinander. „Der Flughafen Tegel ist juristisch tot“, tönt die Linke. Die AfD hingegen meint: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Es ist ein Satz, bei dem man irgendwie wieder an Saleh denken muss.