: Ein blühendes Blümchen
Deutschland (20) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: wird gewählt
Ich mache mir Sorgen um Angela Merkel. Und weiß zwei Tage vor der Wahl immer noch nicht, wen ich wähle werde. Dabei wird das Ergebnis auf mein Leben gar keinen Einfluss haben.
Bis vor zwei Wochen war es einfach: Fällt ihr nicht noch ein Ziegelstein auf den Kopf, wird Angela Merkel die nächste Kanzlerin. Rot-Grün wollte sympathischerweise nie so lang regieren wie Kohl. Die Frau aus Ostdeutschland an der Macht, das wäre eine spannende Geschichte. Wird sie im Amt eine Hillary Clinton? Auch mag ich an Angela Merkel, dass sie sich von den Kameras wegdreht, wenn sie ein Würstchen isst.
Ihr sicher geglaubter Wahlsieg schien mir ein guter Grund, noch einmal Rot-Grün zu wählen. Wegen den unsympathischen Menschen von der Jungen Union. Dann kam das TV-Duell, die Umfragen, die CDU-Ministerpräsidenten. Mein Freund Valtin sagt: „Merkel ist gefährlich, eine Sphinx“, ein trojanisches Pferd: Ist die CDU erst an der Macht, kommt bald der deutsche Durchschnittsmensch Christian Wulff (unterstützt von der ästhetischen Beleidigung Roland Koch und dem Ich-singe-gerne-die-erste-Strophe-des-Deutschlandlieds-in-Tübinger-Burschenschaften Günther „Ich singe gerne die erste Strophe des Deutschlandlieds in Tübinger Burschenschaften“ Oettinger) und mordet die verhasste Merkel. Ich möchte nicht, dass diese Menschen Deutschland repräsentieren.
Gestern saß ich da mit meiner überhaupt nicht schüchternen Freundin Viola, und sie sagte: „Stell dir mal Merkel bei Bush und Blair vor.“ Ja und?, meinte ich, das wird schon. Aber Viola meinte: „Ist dir nie aufgefallen, Frauen werden beim Diskutieren in großer Runde nach einer Weile immer stiller und dann übernehmen die Männer das Wort.“ Ist das der Grund, warum Frauen so viel mehr Vorbehalte gegen Merkel haben als Männer? Ist das ein Grund, Merkel zu wählen?
Vielleicht male ich am Sonntag einfach eine Blume auf den Wahlzettel. Blühende Landschaften fangen ja im Kleinen an.