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Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Ja, ich bin reich“

Spenden als Selbstverständlichkeit: Bettina Bresien hat nicht mehr Geld als andere, gibt es aber leichter aus – für andereSTIFTEN ODER SPAREN Bettina Bresien verdient mehr Geld, als sie mit Fahrradfahren in den Ferien und Bio-Essen ausgeben kann – und spendet es. Sie unterstützt medizinische Projekte, linke Bewegungen und die Anti-AKW-Aktivistin Cécile Lecomte. Nicht nur, aber auch, weil Spenden einen sozialen Mehrwert schafft

Bettina Bresien, 38

■ arbeitet als gelernte Biobäckerin und Diplom-Ernährungswissenschaftlerin bei Ver.di in Bremen. Gemeinsam mit KollegInnen versucht sie in Betrieben MitarbeiterInnen zu motivieren, sich für ihre Belange gemeinschaftlich einzusetzen. Eine Ausbildung zur Gewerkschaftssekretärin machte sie bei der NGG in Osnabrück, zuvor war sie im Außendienst eines Naturkost-Unternehmens tätig. Foto: Kerstin Rolfes

INTERVIEW EIKEN BRUHN

taz: Frau Bresien, wie viel verdienen Sie?

Bettina Bresien: 2.000 Euro netto im Monat.

Empfinden Sie sich als reich?

Ja.

Andere, die so viel wie Sie oder mehr verdienen, würden das nicht über sich sagen.

Ich weiß. Ich kann das nicht gut hören, wenn andere jammern, sie hätten zu wenig. Es gibt Menschen in diesem Land, die trotz Vollzeit-Job nicht genug verdienen, um davon leben zu können. Dagegen müssen wir etwas tun!

Sie haben wenige Tage nach der Bundestagswahl 5.000 Euro an die Attac-nahe Bewegungsstiftung überwiesen, die gesellschaftlichen Wandel unterstützt. Eine Reaktion auf das Wahlergebnis und den angekündigten Ausstieg aus dem Atomausstieg?

Nein, das hätte ich auch gemacht, wenn es eine rot-grüne Regierung gegeben hätte, deren Ausstiegs-Plan war ja auch schon ein Kompromiss, mit dem ich nicht einverstanden war.

Und jetzt hoffen Sie, dass sich Ihr Geld in Aktionen gegen Atomkraft umwandelt?

Das macht es schon seit einiger Zeit. Die Stiftung bietet die Förderung von Bewegungsarbeiterinnen an, die sich in Vollzeit für eine Sache engagieren. Ich gebe jeden Monat als eine von vielen Paten und Patinnen 20 Euro an Cécile Lecomte …

die kletternde Anti-Atom-Aktivistin …

… die ich aus der Anti-AKW-Bewegung kenne. Im Unterschied dazu wird das Geld, das ich jetzt gestiftet habe, aber nicht einfach verbraucht, sondern erwirtschaftet, indem es in das Stiftungskapital fließt, einen Mehrwert. Mit den Zinsen werden verschiedene Projekte gefördert, nicht nur im Bereich Energiepolitik.

Trotzdem könnten Sie doch Geld sparen – für schlechtere Zeiten.

Ach, ich weiß nicht. Vielleicht wäre das anders, wenn ich Familie hätte. Aber so liegt das Geld einfach auf dem Girokonto herum, da kann ich doch gleich etwas Sinnvolles damit machen. Ich verdiene einfach mehr als ich ausgebe.

Wie viel geben Sie im Monat aus?

Ungefähr 1.500 Euro – schätze ich. Es ist ja nicht so, dass ich groß aufs Geld gucken würde, ich spare nicht und mache, was mir wichtig ist.

Was ist das?

Bio-Essen und kulturelle Veranstaltungen, aber darüber hinaus brauche ich wenig.

Wie sieht es mit Urlaubsreisen aus?

Die mache ich am liebsten mit dem Rad, in Deutschland. Fliegen kommt für mich nicht in Frage.

Haben Sie lange nachgedacht, bevor Sie das Geld überwiesen haben?

Nein, gar nicht. Das war eine spontane Entscheidung und ging ganz schnell. Ich habe einen Vortrag von der Stiftung gehört und bin am nächsten Tag gleich zur Bank.

Wie haben Ihre Freunde und Familie reagiert?

Mein Freund fand das nicht so toll, weil er selbst wenig Geld hat. Deshalb habe ich ihm das auch erst hinterher erzählt. Und meine Familie, naja, die kennen mich …

Die hält Sie für naiv?

Nein, das glaube ich nicht. Erzählt habe ich es bisher auch nur meinem älteren Bruder. Der fand das richtig gut und wollte noch mehr darüber wissen. Als Erstes hat er gefragt, ob ich das steuerlich absetzen kann, also was ich davon habe.

Überrascht war er nicht?

Nein, ich habe etwas Ähnliches schon einmal gemacht.

Was war das?

Ich habe nach meiner Ausbildung als Bäckerin in einer Kommune gelebt, da habe ich mein ganzes Geld, 10.000 Mark, hineingesteckt. Ein Fass ohne Boden. Ich dachte damals, das wäre eine Investition, weil ich dort mein Leben oder zumindest eine lange Zeit verbringen und sich das insofern rechnen würde. Aber ich habe nach zwei Jahren eine Mehlstaub-Allergie bekommen und konnte nicht mehr backen. Wenn man nicht mehr funktionierte, gab es keinen Platz mehr in dieser Kommune. Naja.

Bereuen Sie es im Nachhinein, denen das Geld gegeben zu haben?

Nein, das war meine Entscheidung, ich hatte schon während des Abiturs die Vorstellung in einer Kommune zu leben. Dass es nicht so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt habe, ist natürlich schade. Aber so etwas passiert.

Bewegte Stiftung

Die 2002 gegründete Bewegungsstiftung mit Sitze in Verden bei Bremen will „soziale Bewegungen fördern und gesellschaftlichen Wandel aktiv gestalten“. Das Geld dazu kommt zu einem Teil von politisch engagierten Menschen, die über ein Erbe reich geworden sind und bis zu einer Million Euro gestiftet haben. Insgesamt beträgt das Stiftungsvermögen derzeit 4,4 Millionen Euro.

■ Im Wahljahr stieg das Interesse an der Stiftung deutlich an: Während im Jahr 2008 insgesamt 20.000 Euro gespendet wurden und acht neue StifterInnen hinzukamen, waren es bis Oktober 2009 schon 55.000 Euro und 14 neue StifterInnen. Außerdem seien Informationsveranstaltungen besser besucht als früher, sagte eine Sprecherin der Stiftung. Dass der Geldsegen mit der Angst vor Schwarz-Gelb zu tun hat, hätten einige StifterInnen nach der Wahl direkt bestätigt. Sie würden jetzt gezielt Protestbewegungen unterstützen wollen, so die Sprecherin.

■ Ein Projekt der Stiftung ist die Unterstützung von derzeit sieben „Bewegungsarbeiterinnen“, darunter die Lüneburger Atomgegnerin Cécile Lecomte. Sie müssen nachweisen, dass sie im „Hauptberuf“ AktivistIn und wirtschaftlich bedürftig sind. Ihre Geldgeber müssen sie selbst suchen.

Woher hatten Sie eigentlich mit Anfang 20 als Auszubildende das Geld?

Geerbt hatte ich nichts, wenn Sie das meinen. Ich kann das gar nicht so genau sagen, wo das herkam. Das muss sich angespart haben. Während der Schulzeit habe ich immer gejobbt, als Babysitterin.

Oder lebten Sie auf schmalem Fuß?

Ja, wahrscheinlich habe ich nicht viel ausgegeben. Es war zu der Zeit auch noch nicht so wichtig, das richtige Handy oder ein anderes Gerät zu besitzen.

Und heute? Besitzen Sie jetzt mehr?

Ein Auto, aber ich überlege, das abzuschaffen. Ansonsten lebe ich in einer Wohngemeinschaft.

Warum haben Sie nicht direkt an ein Projekt gespendet, das Sie für unterstützenswert halten?

Ich spende seit Jahren – an zwei Organisationen im medizinischen Bereich. Viele unterstützen ja lieber Greenpeace und ähnliche Organisationen – aber Tiere bewegen bei mir einfach nichts. Und bei der Stiftung gebe ich nicht nur etwas, sondern ich bekomme auch ganz viel: Kontakte und die Möglichkeit mitzuentscheiden.

Das Elend in der Welt ist groß und die Liste förderungswürdiger Projekte lang – viele Leute lähmt das. Sie nicht?

Ich bin, glaube ich, ein sehr optimistischer Mensch und engagiere mich lieber ein Mal mehr als zu wenig.

Warum nicht direkt als Vollzeitaktivistin – wie Cécile Lecomte?

Ich bin nicht so mutig, dass ich das machen würde.