: Musikfestival mit Pferdefuß?
Festival Nachdem das Lollapalooza im vergangenen Jahr im Treptower Park stattfand, wird es nun erstmalig auf der Rennbahn Hoppegarten gefeiert. Doch auch dort sind Anwohner dagegen
Die Rasenflächen im Treptower Park grünen, die Bäume sehen gesund aus, die Vögel zwitschern. Der Park hat das Lollapalooza-Festival, das dort vor einem Jahr stattgefunden hat, ganz offensichtlich überlebt. Und auch das Sowjetische Ehrenmal in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Festivalgelände steht noch. Nicht jeder hatte damit gerechnet, als die zweite Ausgabe des Lollapalooza in Berlin relativ kurzfristig vom ursprünglich angedachten Standort Tempelhofer Flughafen nach Treptow verlegt wurde, weil der ehemalige Flughafen plötzlich als Flüchtlingsunterkunft gebraucht wurde. Anwohner des Treptower Parks gingen auf die Barrikaden, eine Bürgerinitiative agierte gegen die Mammutveranstaltung – das Festival aus den USA, das in diesem Jahr zum dritten Mal auch in Berlin stattfinden wird, wurde zum Politikum.
Es war dabei immer klar, dass Lollapalooza im Treptower Park nur eine Notlösung sein würde und das Festival erneut umziehen müsse. Seit gut einem halben Jahr steht nun fest, dass man nach Brandenburg zieht, auf die Rennbahn Hoppegarten in Märkisch-Oderland, eine halbe Stunde mit der S-Bahn vom Alexanderplatz entfernt.
Raus aus der Stadt, ab auf ein Privatgelände und Schluss mit dem ganzen Ärger? Irgendwie nicht. Im Gegenteil: Die Aufregung um Lollapalooza, draußen auf dem Land gleicht doch sehr dem Gezeter im letzten Jahr. Anwohner fühlen sich von Verantwortlichen im Stich gelassen, kaum informiert über das, was da genau auf sie zukommt, wenn die erwarteten 180.000 Festivalbesucher am 9. und 10. September die 18.000-Einwohner-Gemeinde Hoppegarten beehren, um nebenan auf dem Gelände der Galopprennbahn auf vier Bühnen Bands wie die Foo Fighters, Mumford & Sons und The XX zu erleben. Wie laut wird es werden? Wie genau sieht das Sicherheitskonzept aus? Wie wird der Transport der Festivalbesucher organisiert?
Die Informationen zur Beantwortung all dieser Fragen, seien, so Andreas Fleurke vom Aktionsbündnis „Für die Rennbahn im Grünen“, das nun seit ein paar Wochen gegen Lollapalooza in Hoppegarten mobil macht, noch bis vor Kurzem „gleich null“. Sein Frust richtet sich gegen die Veranstalter des Festivals genauso wie gegen die politischen Verantwortlichen vor Ort, vor allem gegen Hoppegartens Bürgermeister Karsten Knobbe (Die Linke), den er als Hauptverantwortlichen für die vermeintliche Desinformationspolitik ausgemacht hat.
Der hat das Lollapalooza in seiner Gemeinde inzwischen zur Chefsache erklärt und beantwortet Fragen rund um die Veranstaltung selbst. Den Ärger so mancher könne er absolut nachvollziehen, sagt er auf Anfrage der taz, und es sei völlig normal, dass eine Großveranstaltung wie das Lollapalooza nicht nur auf Begeisterung stoße. Und er gibt auch zu, dass Sicherheitskonzepte erst sehr spät bekannt gemacht wurden, aber er habe eben abwarten müssen, bis diese endgültig standen und sämtliche erforderlichen Genehmigungen eingeholt wurden. Aber dass nun manche am liebsten ganz das Lollapalooza in Hoppegarten verhindern möchten, und das auch jetzt noch, wo die Aufbauarbeiten bereits begonnen haben, dafür fehlt ihm dann doch das Verständnis. „Jeder“, sagt er und verweist auf die Betreiber der Rennbahn, die ihr Gelände an Lollapalooza vermietet haben, „kann auf seinem Grund feiern, wie er möchte.“
Das freilich sehen die Initiatoren des Bündnisses gegen das Festival in Hoppegarten nicht so. Sie verweisen darauf, dass direkt an die Rennbahn das Natur- und Landschaftsschutzgebiet anschließt und sehen dieselben Probleme, die es im Treptower Park mit der Großveranstaltung gab, nun auch bei sich vor der Haustür. Auf ihrer Homepage ist außerdem die Rede von Drogen und Alkohol, die das Lollapalooza in ihr Dorf bringe, man befürchtet „Lärm, Müll, alkoholisierte Besucher“. Außerdem grassiert die Angst, dass das Lollapalooza ein Türöffner für mehr Events auf der Rennbahn Hoppegarten sein könnte. Die Betreiber der Rennbahn hatten immerhin erst vor Kurzem einen Antrag gestellt, die teilweise denkmalgeschützte Anlage baulich zu erweitern, gezielt mit Blick auf die Durchführung von Großveranstaltungen. Der Antrag wurde von der Gemeinde Hoppegarten jedoch abgelehnt.
Sven Francke, Initiator des Bündnisses „Für die Rennbahn im Grünen“, der zwischen dem Prenzlauer Berg und Hoppegarten pendelt, wie er der taz mitteilt, will bei diesem ganzen Durcheinander wenigstens eines erreichen, auch wenn er in ein paar Tagen von den Foo Fighters um seine Wochenendruhe gebracht werden sollte: „Lollapalooza in Hoppegarten für die Zukunft verhindern.“
Für die nächsten vier Jahre sollen ja immerhin bereits Verträge zwischen Lollapalooza und der Rennbahn Hoppegarten geschlossen worden sein, will das Aktionsbündnis gegen das Festival in Hoppegarten herausgefunden haben. Tommy Nick, Pressesprecher des Lollapalooza dagegen sagt, man habe lediglich einen Vertrag für ein Jahr, allerdings mit einer „Option auf Verlängerung“. Man wolle erst mal abwarten, wie sich Lollapalooza in Hoppegarten bewährt und dann weitersehen. Er glaubt, der Widerstand gegen die von ihm mitbetreute Veranstaltung sei letztlich weit geringer als die Begeisterung vor Ort. „3.000 Tickets für unser Festival“, sagt er, „haben wir allein in Hoppegarten und unmittelbarer Umgebung verkauft.“ Andreas Hartmann
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