Endlich nicht mehr wählen!

Nordrhein-Westfalen atmet auf: Nach vier Wahlen ist jetzt erst einmal Ruhe im Karton

VON GESA SCHÖLGENS
UND HOLGER PAULER

Nordrhein-Westfalen hat einen regelrechten Wahlmarathon hinter sich: Gestern wurden die Bürger zum vierten Mal in zwei Jahren zu den Urnen gerufen. Nach der Europawahl im Juni 2004 folgte im September gleich die Kommunalwahl. Im Mai 2005 wählten die Bürger dann eine neue Landesregierung. Nach der gestrigen Bundestagswahl folgt nun eine lange Wahlpause: Erst 2009 wird wieder gewählt und zwar dreifach. Kommunal, europaweit und im Bund. Traurig über die Pause ist niemand.

Wahlkämpfer atmen auf: „Seit 2002 hatten wir jedes Jahr einen Wahlkampf“, sagt Oliver Demmert von den Düsseldorfer Jusos. Woche für Woche war die Jugendorganisation der SPD in Städten und Kommunen unterwegs, klebten Plakate, verteilten Flyer und diskutierten mit Bürgern. Zwar habe der Dauerwahlkampf Spaß gemacht, „aber jetzt ist es gut, dass wir uns mal mehr um politische Inhalte kümmern können“, so Demmert.

Auch die Wahlamtsleiter sind erleichtert, dass vier Jahre lang nicht gewählt wird. „Die Akkus der Mitarbeiter sind nach dem Dauerwahlstress leer“: Die Wahlamtsleiter Manfred Golschinski (Düsseldorf) und Hans Weckmüller (Bochum) sind sich da einig. Noch von der Europawahl seien Überstunden abzubauen. Der Vorteil sei, dass die Teams jetzt schön eingespielt wären.

Bis zu den nächsten Wahlen bleibe nun viel Zeit, Dinge zu tun, die liegen geblieben sind. „Wir sind ja nicht nur Wahlamt, sondern kümmern uns auch um Stadtforschung, Statistiken, Volkszählungen, Bürgerentscheide und vieles mehr.“ So ganz traut Golschinski der vierjährigen Wahlpause aber nicht: „Wer weiß, ob der neue Bundestag so lange durchhält“. Weckmüller hofft 2009 auf mehr freiwillige Unterstützung. Durch die vielen Wahlen hintereinander sei es schwieriger geworden, Wahlhelfer zu finden.

Für die freiwilligen Wahlhelfer gibt es erstmal vier Jahre lang keine Finanzspritze. „Nicht so tragisch. Dann suche ich mir eben einen anderen Job“, sagt Studentin Lisa Mühlhausen, die als Schriftführerin in einem Essener Wahlamt half.

Die Kölner Initiative „Mehr Demokratie“ findet es positiv, dass die Politiker bei langen Amtsperioden nachhaltiger arbeiten können. Allerdings fordert der Verein für die Wahlpause mehr direkte Demokratie: „Sonst ist es schwierig für die Bürger, ihre Unzufriedenheit auszudrücken“, sagt Geschäftsführer Daniel Schily. Auch zwischendurch müsse der Bürger über Sachentscheidungen abstimmen dürfen.

Freudig gehen zumindest die Christdemokraten in NRW die wahlfreie Zeit an. Nach der erwarteten erfolgreichen Wahl Angela Merkels hoffen sie auf das versprochenen „Durchregieren“ auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene. „Wir hatten einen kurzen und auf Kernfragen beschränkten Wahlkampf. Wir brauchen zügig klare Mehrheitsverhältnisse und dann eine relativ lange wahlfreie Zeit für die nötigen politischen Maßnahmen für Deutschland und NRW. Jetzt kann es losgehen“, sagt zum Beispiel der Sprecher des CDU-Bezirksverbandes Sauer-Siegerland, Martin Michalzik.

Und die Kollegen von der schreibenden Zunft? „Es tut uns leid, aber Herr Reitz ist bis zum Wahlabend nicht zu sprechen, er muss von einem Termin zum nächsten, aber Sie kennen das ja“, vertröstet uns die Dame aus der WAZ-Zentrale. Chefredakteur Ulrich Reitz ist also very busy. Nach der Wahl habe er aber mehr Zeit. Ob Reitz sich darauf freut, erfahren wir leider nicht...