: Deutschland schiebt nicht mehr nach Ungarn ab
FlüchtlingeUngarns Umgang mit Asylbewerbern führt zur Aussetzung der „Rückführungen“
Flüchtlinge, die über Ungarn nach Deutschland einreisen, müssen laut Dublin-Verordnung eigentlich dorthin zurück. Ihr Asylverfahren muss dort durchgeführt werden. Doch seit dem 11. April seien diese „Rückführungen“ ausgesetzt worden, heißt es nun. Der Grund sind die Bedingungen, unter denen Asylbewerber in Ungarn leben müssen. Sie werden dort systematisch inhaftiert.
Menschenrechtsorganisationen üben daran schon länger Kritik. Die EU-Kommission hatte deshalb im Mai in der Frage ein bestehendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn vorangetrieben. Die Kommission kritisiert, dass Flüchtlingen in dem Land der Zugang zu einem EU-rechtskonformen Asylverfahren erschwert werde.
Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke begrüßte, dass keine Flüchtlinge mehr nach Ungarn zurückgeschickt werden. Scharfe Kritik übte sie aber daran, dass die Bundesregierung die Berichte über Menschenrechtsverletzungen innerhalb der EU nie zum Thema gemacht habe. „Es darf keine stille Kumpanei mit dem Flüchtlingshasser Orbán geben“, so Jelpke.
Lange Zeit hatte Deutschland auch darauf verzichtet, Flüchtlinge im Rahmen der Dublin-Regeln nach Griechenland zurückzuschicken. Grund war die chaotische Lage vor Ort. Auf Grundlage einer Empfehlung der EU-Kommission habe man das Dublin-Verfahren wieder aufgenommen, erklärt das Bundesinnenministerium jetzt. Seit dem 15. März schickt Deutschland wieder Flüchtlinge im Einzelfall nach Griechenland zurück, wenn griechische Behörden eine menschenwürdige Unterbringung und ordnungsgemäße Asylverfahren schriftlich zusichern. Bestimmte Gruppen, wie etwa unbegleitete Minderjährige, blieben davon allerdings ausgenommen, heißt es.
Die meisten Rücknahmeersuchen werden an Italien gestellt. In 3.947 Fällen stimmte das Land im zweiten Quartal dieses Jahres einer Überstellung zu. Aber nur 535 Asylsuchende wurden auch nach Italien zurückgebracht.
Daniel Bax
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