: Auftakt ohne fünf
Tennis Durch viele Absagen steigen die Chancen von Alexander Zverev bei den US Open. Maria Scharapowa hingegen ist froh, überhaupt dabei zu sein
aus New York Doris Henkel
Im vorletzten Moment sagte noch einer ab. Nach Titelverteidiger Stan Wawrinka (Nummer 4 der Welt) und dessen Vorgänger Novak Đjoković (5), nach dem Japaner Kei Nishikori (10) und dem Kanadier Milos Raonic (11) werden die US Open auch auf einen Beitrag von Andy Murray verzichten müssen.
Er habe alles versucht, erklärte der seit Monaten an der Hüfte lädierte Schotte nach einem Training am Samstag in Flushing Meadows, doch die Zeit sei einfach zu knapp gewesen. Keine Chance. Wie es weitergehen soll, ob er möglicherweise in diesem Jahr gar nicht mehr spielen wird, darüber will Murray bald mit seinem Team eine Entscheidung treffen.
Als er sich sichtlich bedient verabschiedete, war Alexander Zverev gerade auf dem Weg nach Harlem zu einem Sponsorentermin. Nach Murrays Absage ist der Hamburger nun als Nummer vier der Setzliste der nominell beste Spieler in der unteren Hälfte des Tableaus. Die Favoriten Rafael Nadal und Roger Federer spielen in der oberen mit Kollisionskurs Halbfinale, und auf den Sieger könnte Zverev erst im Finale treffen.
Es ist kaum zu glauben, wie schnell sich die Dinge entwickelt haben. Vor einem Jahr um diese Zeit stand Zverev in der Weltrangliste auf Platz 28, und eine Niederlage in der zweiten Runde gegen den Briten Daniel Evans passte nicht zur allgemeinen Einschätzung, er werde schon bald zu den Besten gehören.
Diesmal fehlt Zverev in keiner Aufzählung der Favoriten, und er selbst sieht die Sache auch so. „Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich einer von vier, fünf Spielern bin, die sehr weit kommen, das Turnier vielleicht sogar gewinnen können“, sagt er, das sei in Paris und Wimbledon noch nicht so gewesen. Er weiß natürlich, dass auf der einen Seite seiner Erfolgsgeschichte jene fünf Titel stehen, die er in diesem Jahr gewann, zwei davon aus der Masters-1.000-Kategorie, dass auf der anderen aber auch nach wie vor ein gewisses Missverhältnis bei den Grand-Slam-Turnieren herrscht.
Bei den Australian Open verlor er in der dritten Runde – allerdings gegen den späteren Finalisten Nadal –, in Paris in der ersten gegen dessen Landsmann Fernando Verdasco und zuletzt in Wimbledon im Achtelfinale in fünf Sätzen gegen Milos Raonic.
Gemessen an dieser Bilanz sollte man vielleicht mit zu optimistischen Prognosen vorsichtig sein, gemessen am Rest des Jahres mit Siegen gegen Đjoković und Federer in den großen Finals gibt es aber keinen Grund, zu bescheiden zu sein.
Montagabend in der Night Session beginnt der lange Marsch für Zverev mit einem Spiel gegen einen Qualifikanten vom Weltranglistenplatz 168, Darian King aus Barbados.
Im Hauptprogramm des ersten Abends der US Open 2017 geht es allerdings vor allem um Maria Scharapowas Rückkehr auf die Bühne der Grand-Slam-Turniere nach ihrer im April abgelaufenen Dopingsperre. Ohne die von den Organisatoren offerierte Wildcard wäre das nicht möglich, aber vielleicht wird dieser nicht von allen gern gesehene erste Auftritt gleich der letzte sein angesichts einer starken Gegnerin wie Simona Halep. Die Rumänin, Finalistin der French Open in Paris, gehört zu den acht Spielerinnen, die eine Chance haben, nach dem Turnier an der Spitze der Weltrangliste zu landen.
Angelique Kerber gehört selbst dann nicht zum Kreis dieser acht, sollte sie wie im vergangenen Jahr den Titel gewinnen. Aber um die Nummer eins geht es im Moment nicht. Die Frage ist, ob sie es in New York endlich wieder schafft, enge Spiele auf hohem Niveau zu gewinnen. Sie ist sich zwar im Moment nicht ganz sicher, wie der seit einer Weile schmerzende Ellbogen mitspielen wird, aber im Großen und Ganzen, so sagt sie, sei sie entspannt und guter Dinge.
Zu ihrem Team gehört dieser Tage überraschend wieder jener Mann, mit dem sie zwei Jahre lang bis Februar 2015 erfolgreich trainierte, bevor sie zu dessen Vorgänger Torben Beltz zurückkehrte, Benjamin Ebrahimzadeh. Der ist inzwischen angestellt in der Akademie des Franzosen Patrick Mouratoglou in Nizza, wo Kerber im Sommer gut eine Woche trainierte. Sie erklärte, Ebrahimzadeh sei jetzt erst mal nur bei den US Open in New York dabei, um für neue Eindrücke zu sorgen, Beltz gehöre nach wie vor zum Team, da gebe es überhaupt kein Problem. Mag sein, aber eine spannende Konstellation ist das allemal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen