Sexueller Gruppenüberfall im Bus, und niemand tut was

MarokkoTeile der Öffentlichkeit verstehen nicht, warum die jungen Täter festgenommen wurden

BERLIN taz | Ein kollektiver sexualisierter Überfall in Marokko, gefilmt und ins Internet gestellt, sorgt für Empörung. Auf den Bildern ist Berichten zufolge zu sehen, wie eine Gruppe Jugendlicher mit nacktem Oberkörper in einem Bus in Marokkos größter Stadt, Casablanca, eine junge Frau bedrängt. Sie begrapschen sie, zerren ihr die Kleidung vom Leib, berühren ihren Intimbereich und grölen vor Lachen, während die Frau weint. Niemand greift ein.

Nachdem eine Videoaufnahme davon am Sonntag die Runde machte, teilte die zuständige Busgesellschaft M’dina Bus am Montag mit, der Angriff habe sich am Freitag zugetragen. Man könne nicht sagen, wann und auf welcher Buslinie das geschehen sei, denn man habe 800 Busse und weder die Frau noch der Busfahrer hätten den Vorfall gemeldet. Es gebe jeden Tag Gewaltvorfälle in Bussen, und der Fahrer könne nicht jedes Mal bei Lärm reagieren.

Die Polizei bestätigte am Montag die Festnahme von vier Jugendlichen, darunter desjenigen, der das Video aufgenommen habe. Zwei würden noch gesucht. Es handele sich um sechs Jungen im Alter von 15 bis 17 Jahren. Das Opfer, eine 24-Jährige, sei geistig behindert.

Marokkanischen Medien zufolge gehören die Jugendlichen zu einer stadtbekannten Bande im Viertel Sidi Bernoussi. Gegenüber lokalen Journalisten äußerten Bewohner des Stadtviertels Unverständnis über die Festnahmen: Die Jungs seien doch bloß Drogensüchtige, hieß es auf der Nachrichtenwebseite „Le 360“.

Aber der Kinderschutzverband „Touche pas à mon enfant“ (Rühr mein Kind nicht an) hat öffentlich Zeugen gebeten, sich zu melden, „um diese barbarische Horde zur Rechenschaft zu ziehen“. Für Mittwoch rufen Organisationen zu einem Sitzprotest in Casablanca auf.

Gewalt gegen Frauen ist in Marokko verbreitet, Straflosigkeit ebenfalls. Vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass sich am 23. Mai eine 16-Jährige bei Marrakesch erhängte, nachdem sie erfuhr, dass die vier jungen Männer, die sie im Januar 2016 brutal vergewaltigt hatten, wieder auf freiem Fuß seien.

(mit afp) D.J.