: Am Boden bleiben!
Billigflüge Mit der Pleite von Air Berlin verschwindet ein schlecht geführtes Unternehmen. Nothilfen allerdings schaden dem Wettbewerb
von Manfred Kriener
Der Himmel über Berlin hat sich gelichtet. Der Air-Berlin-Absturz war nur eine Frage der Zeit. Mit jedem Vierteljahresbericht und einem immer schneller wachsenden Schuldenberg wurde eine Geldvernichtungsmaschine erkennbar, die nur durch die Eingriffe des Großaktionärs Etihad am Leben erhalten worden war. Dass jetzt den Arabern vorgeworfen wird, sie hätten zugesagte Zahlungen „verweigert“, ist ein Witz. Viel zu lange war das Siechtum der Airline durch immer neue Finanzspritzen prolongiert worden. Die Reaktionen von Gewerkschaften und Verbraucherschützern sind reines Theater. Air Berlin ist am Boden. Einen Neustart wird es nicht geben.
Die Berliner Airline ist selbstverschuldet in diese Pleite gerutscht. Was mit Ballermann-Shuttles zum Billigtarif begonnen hatte, entwickelte sich bald zum wachstumskranken Überflieger. Wahllos wurden angeschlagene Konkurrenten übernommen, ein wilder Expansionskurs wurde eingeschlagen. Ständige Strategiewechsel und ebenso häufige Managementwechsel begleiteten den Niedergang. Spätestens als ein Herr namens Hartmut Mehdorn auf dem Chefsessel Platz nahm, wusste jeder: Die Pleite wird kommen. Am Ende waren Verspätungen und schlechter Service das Markenzeichen der Fluggesellschaft.
Jetzt hat die Bundesregierung der insolventen Airline einen „Übergangskredit“ von 150 Millionen Euro eingeräumt, um den Flugbetrieb noch einige Monate aufrechtzuerhalten und zu vermeiden, dass Urlauber stranden, die sonst in Kuala Lumpur weinend auf ihren Koffern gesessen hätten. Wenn es nur darum gegangen wäre, hätten allerdings auch 10 Millionen gereicht. Es ging auch darum, den Flugbetrieb über die Bundestagswahl hinaus zu retten.
Bei Autokonzernen, Fluggesellschaften und Banken zeigt sich die Politik ohnehin stets generös. Als die Unternehmen der deutschen Solarindustrie – lange Zeit Weltmarktführer einer echten Zukunftsbranche – der Reihe nach in Turbulenzen gerieten und schließlich in Konkurs gingen, hat die Politik nur zugeschaut und die Pleitewelle sogar noch beschleunigt, weil die Einspeisevergütungen im Monatstakt hektisch heruntergeschraubt wurden. Übergangskredite? Finanzhilfen? Zero! Politische Unterstützung gegen Dumpingpreise und aggressive Dauersubventionen der chinesischen Konkurrenz? Ein bisschen. Mit Verspätung. Und hat damals irgendjemand nachgerechnet, wie viele Tausend Arbeitsplätze der Absturz der deutschen Solarwirtschaft gekostet hat?
Der Luftverkehr wird seit jeher gehätschelt. Das klimaschädlichste Verkehrsmittel von allen erhält durch die Befreiung von Kerosin- und Mehrwertsteuer milliardenschwere Subventionen. Und die Branche wächst rasant. Im Current Market Outlook rechnet der US-Konzern Boeing für die nächsten 20 Jahre mit 36.770 neu in Dienst gestellten Flugzeugen. Der weltweite Passagierverkehr wächst jedes Jahr um 5, der Frachtverkehr um 4,7 Prozent. Der innerchinesische Luftverkehr soll jährlich um 6,6 Prozent zulegen. Er würde sich damit bis zum Jahr 2035 versechsfachen. Hat jemand eine Vorstellung, wie dieses „robuste Wachstum“ mit der Klimapolitik in Einklang zu bringen ist?
Jetzt verschwindet in Europa eine von 180 Fluggesellschaften. Und die Geier kreisen über den Überresten. Wer wird sich die dicksten Brocken herausreißen, wer die attraktivsten Slots bekommen? Die Lufthansa hat den Vorteil, dass sie sich früh angedockt und mit Thomas Winkelmann einen engen Vertrauten in der Chefetage des Unternehmens sitzen hat.
Schon wittert die Konkurrenz einen Komplott. Die Beschwerde von Ryanair über den 150-Millionen-Kredit der Bundesregierung ist dabei gar nicht so abwegig: Natürlich sind Staatshilfen für abgeschmierte Unternehmen immer ein Eingriff in den Wettbewerb. Besser geführten, gesünderen Unternehmen wird damit geschadet. Doch die Verlockung, sich erneut als Nothelfer feiern zu lassen, war wohl zu groß.
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