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Leichtfertiger Lapsus

CL-Quali Die TSG Hoffenheim ist gegen Klopps FC Liverpool nicht abgebrüht genug und verliert mit 1:2. Die Situation vor dem Rückspiel ist aber nicht völlig aussichtslos

aus Sinsheim Tobias Schächter

Nach internationalen Fußballspielen ist es üblich, dass die Trainer den Reportern hintereinander Rede und Antwort stehen, nach Bundesligaspielen analysieren die Fußball­lehrer gemeinsam. Wie wäre nach dem 2:1-Sieg des FC Liverpool bei der TSG Hoffenheim die Debatte zwischen den beiden meinungsstarken Trainern Jürgen Klopp und Julian Nagelsmann verlaufen?

Der Auswärtssieg brachte Klopps FC Liverpool nach dem Playoff-Hinspiel der lukrativen Champions-League-Gruppenphase näher. Klopp analysierte, seine Mannschaft habe „hervorragend verteidigt“ und dem Gegner – wie geplant – viel Ballbesitz überlassen. Vor allem in den für seine Elf eher „unbedeutenden Räumen“ in des Gegners Hälfte. Und, so Klopp weiter: Der Gegner sei kaum in die „bedeutenden Räume“ vorgedrungen.

Doch alleine die Unterscheidung zwischen „bedeutenden“ und „unbedeutenden Räumen“ stellte Nagelsmann in Frage. Er vertrat auf Nachfrage grundsätzlich die Auffassung, dass in „den sogenannten unbedeutenden Räumen oft Bedeutendes vorbereitet“ werde. Und dann widersprach der 30-Jährige seinem 20 Jahre älteren Kollegen Klopp vehement. Seine Elf sei vor allem in der ersten Halbzeit ja wohl „oft genug in die sogenannten bedeutenden Räume“ vorgestoßen. Dann zählte er „mindestens fünf Situationen“ auf, in der seiner Elf das gelungen war. „Fünf Mal! Das muss eigentlich reichen, um ein Tor zu machen“, haderte Nagelsmann.

Doch dieser erste Europapokalabend in der Vereinsgeschichte war für die Nagelsmänner einer der verpassten Chancen. Das späte Anschlusstor durch den eingewechselten Mark Uth (87.) lässt die Lage vor dem Rückspiel am kommenden Mittwoch an der Anfield Road aber nicht völlig aussichtslos erscheinen. Die Debatte um die Raumdeutung zwischen den beiden Trainern war in Wahrheit eine um die Deutungshoheit nach diesem ersten Aufeinandertreffen.

Die Hoffenheimer müssen sich Mut machen für das Rückspiel, sie spielten lange Zeit gut, in der ersten Halbzeit sogar sehr gut – aber in den entscheidenden Situationen eben nicht gut genug. Andrej Kramaric vergab leichtfertig die Chance zur frühen Führung, sein Elfmeter geriet zu einer peinlichen Rückgabe, die Liverpools Torhüter Simon Mignolet mühelos parieren konnte (12). Der Fehlschuss war ein Lapsus, der Liverpool geholfen hat, ins Spiel zu finden.

Beim 0:1 durch einen direkt verwandelten Freistoß des 18-Jährigen Trent Alexander-Arnold aus 22 Metern flog der Ball allerdings auch deshalb ins Tor, weil Lukas Rupp in der TSG-Mauer nicht hoch gesprungen war. Und im Vorlauf des 0:2 haderte Nadiem Amiri mit der Schiedsrichterentscheidung bei einem Foul im Mittelfeld, statt die schnelle Ausführung des Freistoßes zu verhindern.

„Wir werden auch in Liverpool ein gutes Spiel machen“

TSG-Trainer Julian Nagelsmann

Dass der Schuss auch noch ins Tor abgefälscht wurde (74.), passte zu den vielen kleinen Unglücksmomenten, die die TSG an diesem Abend erlebte. Liverpool wirkte auf diesem höchsten europäischen Niveau dann doch um ein Tor besser, abgezockter, wettkampfstärker. Über das späte Gegentor wollte Klopp sich zumindest öffentlich nicht zu sehr aufregen, vor dem Anpfiff hätte er jedes Siegergebnis willkommen geheißen, auch ein 8:7, sagte er. Und überhaupt: Ein 2:1 sei besser als ein 1:0.

Hoffenheim muss wegen der Auswärtstorregel im Europapokal im Rückspiel mindestens zwei Treffer erzielen, um weiterzukommen, ein 1:0 genügt nicht. Liverpools Vorsprung wirkt für diese im Konter überragende Mannschaft wie geschaffen für das Rückspiel zu Hause. Besonders mit dem aberwitzig schnellen Linksaußen Sadio Mane waren zunächst Ermin Bicakcic und dann Nordtveit überfordert. Die Hoffenheimer geben sich dennoch trotzig, Julian Nagelsmann versprach: „Wir haben ein gutes Spiel gemacht und werden auch in Liverpool ein gutes Spiel machen.“

Denn, und diese kleine Spitze gegen Klopp konnte er sich dann nicht verkneifen: „Vielleicht sind im Rückspiel die Räume ja auch noch da.“ Wenn ja, dann sollten die Hoffenheimer diese Räume aber in jedem Fall besser nutzen, sonst ist der Champions-League-Traum nächste Woche ausgeträumt.

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