Berliner Szenen: Der Sinn des Spiels
Der Fummler
Fup ist ein Fummler, und er hat gerade wenig zu lachen. „Papa, wir haben heute gegen Rot 7:0 verloren“, gesteht er mir. „7:0? Das ist aber ganz schön heftig“, sage ich. „Ja, aber Rot ist die beste Mannschaft“, sagt Fup zur Erklärung, die nicht ganz zu seiner Äußerung einige Tage zuvor passt, als er „Wir sind die Besten“ sagte. Im Hort findet gerade ein Turnier statt und die Mannschaften werden nach einer Farbe benannt.
Fup ist gelb. Wegen Aubameyang. Das letzte Spiel haben sie auch verloren, und ein weiteres konnte nicht stattfinden, weil Gelb nicht genügend Spieler hatte. Ich würde ihm ja gerne helfen, aber meine Ratschläge, wie moderner Fußball gespielt wird, verpuffen alle ungehört. Ball sofort wieder abgeben? Wozu, wenn man ihn selber vertändeln kann? Nur den Zidane-Trick hat sich Fup von mir beibringen lassen. Den übt er geduldig immer wieder. Leider nützt er ihm nichts, wenn der Gegner ihm einfach mitten in der elegant ausgeführten Drehbewegung den Ball wegnimmt.
Ich glaube, für Fup besteht der Sinn des Fußballs darin, alle auszufummeln und dann mit einem unhaltbaren präzisen Schuss in die Ecke das Tor zu machen, oder noch besser, den Torwart auch noch aussteigen zu lassen, um sich dann hemmungslos dem Torjubel hinzugeben. Meistens bleibt er allerdings beim ersten Gegner hängen. Heute ist die F2-Jugend der „Berliner Amateure“, dem Verein von Fup, in Schöneberg zu einem Turnier eingeladen. „Heute werden wir mal dem Gegner den Vortritt lassen“, sagt einer der Väter. „Wir können ja nicht immer gewinnen. Das deprimiert die anderen auf Dauer zu sehr.“ Die Amateure belegen am Ende Platz 5 und werden Vorletzter. Fup hat sogar einmal aufs Tor geschossen. Am Ende kriegt er eine riesige Medaille aus Gold an rot-weißem Band, die er seitdem nicht mehr ablegt. Klaus Bittermann
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