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OFF-KINO

Off-Kino

Lars Penning

Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet

Der französische Stummfilm steht im Mittelpunkt des Sommer-Festivals im Kino Babylon. 50 Filme hat der Kurator Friedemann Beyer für ein breites Programm ausgesucht, das mit Jean Renoirs Emile-Zola-Verfilmung „Nana“ von 1926 eröffnet, einer schönen Hommage an den koketten Liebreiz seiner Hauptdarstellerin und damaligen Frau Catherine Hessling (3. 4., 19.30 Uhr).

Eine altmodische Bühnenfarce wandelte René Clair 1927 in einen mit visuellen Gags gespickten Stummfilm um: Die Komödie „Un chapeau de paille d’Italie“ erzählt von einem Bräutigam, der Ersatz für einen von seinem Pferd angeknabberten Strohhut beschaffen soll, ein ironischer Blick auf die Spießigkeit des Bürgertums. In seiner Machart ist der Film US-Slapstick-Komödien nicht unähnlich, in denen sich Ketten von peinlichen Ereignissen ins Unermessliche steigern (4. 8., 19.30 Uhr, 8. 8., 21.45 Uhr).

Nicht lustig, aber nicht weniger beeindruckend ist Jacques Feyders 1925 entstandenes Kindheitsdrama „Visages d’enfants“, in dem sich der 10-jährige Jean in den Schweizer Bergen derart in die Trauer um seine leibliche Mutter hineinsteigert, dass sein Hass auf die Stiefmutter und die kleine Stiefschwester beinahe eine Katastrophe auslöst. Der Film ist toll fotografiert – und bedient sich auch effektiv der Parallelmontage: wenn die von Jean in die nächtliche Kälte hinausgeschickte Stiefschwester Arlette von einer Lawine verschüttet wird, während sich Jean im warmen Bett mit Gewissensbissen quält (6. 8., 18 Uhr). Alle Filme des Festivals werden von wechselnden Organisten und Pianisten musikalisch begleitet; der Eintritt ist frei.

Thrillerspezialist Don Siegel und Sofia Coppola, die Regisseurin der ritualisierten Langeweile, haben eigentlich wenig miteinander gemein. Und doch haben beide recht getreu den Roman „The Beguiled“von Thomas Culliman verfilmt, in dem ein verwundeter Nordstaaten-Soldat während des amerikanischen Bürgerkriegs in einem ausschließlich von Frauen bewohnten Mädchenseminar in den Südstaaten Unterschlupf findet und dort zum Objekt der Begierde wird. Die Unterschiede liegen im Detail: Während bei Siegel die Korrumpierung der jungen Frauen von Beginn an präsent ist, schwelgt Coppola in „Die Verführten“geradezu in der mädchenhaften Unschuld, mit Bildern von blonden Frauen mit weißen Kleidern in weichem Sommerlicht. Die Veränderungen – hier ein scheuer Blick, dort ein gestohlener Kuss – inszeniert Coppola nicht als den Verlust von Unschuld, sondern als ein Aufblühen von Weiblichkeit (3. 8., 5.–9. 8, 19.30 Uhr, Hackesche Höfe).

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