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Ein Bruch tut not

Widerstandsstrategie Der in Hamburg praktizierte Militanzfetischismus führt linken Protest in eine Sackgasse

Werfen oder nicht werfen: Autonomer während des G20-Gipfels in Hamburg Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

von Olaf Bernau

Das, was während des G20-Gipfels in Altona und auf der Schanze passiert ist, liegt nicht im Interesse einer gesellschaftlichen Linken, der es um grundlegende Gesellschaftsveränderung geht. Ihre inhaltlichen Anliegen wurden durch das militanzfetischistische Spektakel – im Pingpong mit einer ebenfalls auf maximale Eskalation getrimmten Polizei – in keinster Weise nach vorn gebracht. Vielmehr wurde das Risiko eines massiven Sympathie- und Vertrauensverlustes in benachbarten politischen Milieus leichtfertig in Kauf genommen. Mehr noch: Hamburg ist weit hinter die zukunftsweisenden Erfahrungen rund um den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm zurückgefallen. Damals war es immerhin gelungen, sich auf eine spektren- und bewegungsübergreifende Protestchoreografie zu verständigen – ohne Alleingänge à la Campact & Co.

Aber auch inhaltlich waren die vergangenen Tage eine echte Nullnummer – jenseits der bei Großereignissen fast schon obligatorischen Debatten um Grundrechte: Ob die Hungerkatastrophe in Ostafrika, der Klimawandel, die Toten an den Grenzen oder die fatale G20-Afrika-Politik, bei keinem dieser und vieler weiterer Themen ist es den Protesten gelungen, die G20-Regierungen unter ernsthaften Legitimationsdruck zu setzen. Und das nicht zuletzt deshalb, weil die in den militanten Auseinandersetzungen entstandenen Bilder viel zu stark, ja blendend waren, als dass es möglich gewesen wäre, Inhalte erfolgreich zu platzieren – ein Manko, das am Ende weder der Alternativgipfel noch die Abschlussdemo wettmachen konnten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt keinen Grund, sich von Dingen zu distanzieren, die man nicht verantwortet hat. Nicht minder abwegig ist es, in zynischer Verdrehung der Wirklichkeit die Situation im Irak oder im Jemen mit kurzfristigen Riots in Hamburg zu vergleichen. Und auch verbietet es sich, angesichts der realen Vielfachkrisen des Planeten – mit allein 25.000 Hungertoten täglich – das Abfackeln mehrerer Dutzend Autos zu einem halben Zivilisationsbruch hochzujazzen.

Gleichwohl greift es zu kurz, in erster Linie das maßlose Verhalten der Polizei zu skandalisieren, zumal doch völlig offenkundig ist, dass die Einsatzleitung die Auseinandersetzung wollte, um ihr repressives Vorgehen im Vorfeld des Gipfels zu rechtfertigen. Stattdessen ist ohne großes Rumgetue festzuhalten, dass das Vorgehen der militanzfetischistischen Randale- bzw. Aufstandsfraktion politisch falsch, ethisch fragwürdig und demokratisch unterirdisch war. Denn Fakt ist, dass auf diese Weise einige Hunderte die Proteste vieler Tausender buchstäblich gekapert haben. Es ist daher auch kontraproduktiv, bewegungsintern auf eine Auseinandersetzung über unterschiedliche Aktionsformen zu verzichten.

Aktionsformen sind Instrumente, um bestimmte Ziele zu erreichen, sie sind kein Selbstzweck. Vor allem taugen sie nicht als Identitätskorsett. Plastischer: Wenn es ums Ganze geht, kann es sogar richtig sein, ein Fassadenparlament niederzubrennen – so geschehen im Oktober 2014 in Burkina Faso, als es in einer von allen Teilen der Bevölkerung getragenen Revolution geglückt ist, den Langzeitdiktator Blaise Compaoré aus dem Amt zu jagen.

Foto: privat
Olaf Bernau

47, lebt in Bremen und ist aktiv bei Afrique-Europe-Interact.

Doch Hamburg ist nicht Ouagadougou. Wer etwas verändern möchte, muss sich auf einen politischen Langstreckenlauf einstellen – in Burkina Faso gärte es spätestens seit 2010. Einfach etwas anzuzünden, mag kurzfristig Aufmerksamkeit bringen, verändert in den Köpfen aber nichts, politische Kräfteverhältnisse lassen sich so kaum verschieben. Eher im Gegenteil: Das Durchschnittspublikum bleibt verärgert, verstört oder verängstigt zurück. Insofern sollte auch auf Selbstbetrug verzichtet werden: Die Freitagsrandale war keine 1:1-Reaktion auf die rechtswidrige und brutale Auflösung der „Welcome to Hell“-Demo am Donnerstag, allenfalls hat diese eine gewisse Anything-goes-Stimmung befeuert. Der Schlagabtausch war gewollt, das wurde seit über einem Jahr offen kommuniziert, unter anderem in zahlreichen Mobilisierungsvideos: „Nutzen wir das Spektakel, wütend in Hamburg, ausrasten tut gut“. Oder noch ungeschminkter: „Hamburg meine Perle, Pflasterstein und Scherben“.

Die Randalefraktion hat sich an ihrem Sturm im Wasserglas ergötzt und dabei den demonstrativen Bruch mit weiten Teilen der Gesellschaft gesucht – nirgendwo wurde das deutlicher als an den anti-emanzipatorischen Bildern brennender Autos aus Altona, wo offenkundig ausschließlich Leute unterwegs waren, die sich als linke Aktivist_innen begreifen. Gleichzeitig wurde auf der Schanze leichtfertig das Bündnis mit betrunkenen Partydeppen und jugendlichen Desperados gesucht oder zumindest nicht aktiv verhindert, nur um sich im Anschluss konsterniert darüber zu zeigen, dass dieses Experiment ordentlich in die Hose gegangen ist.

Die wortlos daherkommende Randale – die immer wieder zitierte Insurrektion – ist als Gesamtstrategie viel zu starr und eindimensional, ein diesbezüglicher Bruch tut not. Die gesellschaftliche Linke sollte sich vielmehr an jenen Erfahrungen orientieren, wo es durch wohldosierte, situationsangemessene Regelübertretungen gelungen ist, in der Öffentlichkeit positiv zu punkten. Hierfür stehen nicht nur die phantastischen Bilder der jüngsten Besetzungen von Kohlegruben im Rheinland und in der Lausitz, sondern auch der langjährige Widerstand gegen die Castortransporte oder die Blockaden von Heiligendamm.

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