Sammelbecken Berlin
: Migration und Mode

Heute beginnt die Berliner Fashion Week, und nein, hier versammelt sich nicht die internationale Modeszene, auch wenn sogar die Voguedas behauptet. Noch immer kommen die interessanten Modemagazine aus London (System, Dazed and Confused, I-D),New York (Contributor, Dossier, Grey)oder Paris (Self Service, Purple Fashion).Und all die aufregenden Designer der letzten Jahre wie Vetements, Jacquemus, Damir Dona, Gosha Rubchinskiy, Eckhaus Latta arbeiten in Paris, Mailand oder Moskau. Dennoch wird in Berlin sehr interessante Mode gezeigt und gemacht.

Einige der vielversprechendsten Berliner Designerinnen werden in dem Buch „Traces. Fashion & Migration“, das heute erscheint, porträtiert. Es entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Akademie Mode & Design Berlin und zeigt ganz unterschiedliche Aspekte des Einflusses von Migration auf Mode auf. Bobby Kolade ist in den nuller Jahren aus Uganda nach Berlin gekommen, wie Saša Kovačević (Serbien) oder Vladimir Karaleev (Bulgarien), als Berlin für junge Kreative gute Voraussetzungen bot. Andere sind in zweiter Generation in Deutschland aufgewachsen: Die Namen William Fan, Hien Le und Nobi Talai sollte man sich merken. Längst international bekannt ist das Berliner Designerinnenduo Bless, spätestens seit Modegott Martin Margiela seinen Laufstegmodels deren Pelzperücke aufsetzte.

Auffällig ist, dass verhältnismäßig wenige Designer, aber viele erfolgreiche Modefotografen aus Deutschland kommen – Newton, Lindbergh oder Teller etwa. In ihrem Beitrag „The German Eye“ fragt die Pariser Journalistin Jina Khayyer nach dem Anteil von Migration und Herkunft an deren Erfolg. Eine „messerscharfe Präzision“, hergeleitet aus der deutschen Sprache, spielt da angeblich genauso eine Rolle wie das Fehlen publizistischer Experimentierplattformen für junge Fotografen. Das Buch will viel, die Themen sind brillant gewählt: Migrierende Markenlogos kehren in veränderter Form ins Ursprungsland zurück; die gefeierten „American Born Chinese“-Designer wie Alexander Wang, Philipp Lim oder Derek Lam werden demnächst abgelöst von den „Migration for Education“-Chinesinnen, die von den Modeschulen Europas nach China zurückkehren.

Stark sind die Personenporträts im Buch, schwach die theoretischeren Texte, in denen ein westlicher Betrachter hypostasiert wird und die „Ethnoplura­listen“ Platzanweiser spielen: Ihnen kommt beispielsweise ein Warbonnet auf dem Laufsteg – eine Federhaube amerikanischer Ureinwohner – schnell mal dem Leugnen eines Genozids gleich. Mode hat sich immer bei anderen Kulturen und Zeichen­systemen bedient, um Neues zu generieren. Das macht sie so interessant.Tania Martini

Olga Blumhardt, Antje Drinkuth (Hg.): „Traces. Fashion & Migra­tion“. 208 Seiten, 29,90 Euro