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Chinas Exportschlager: der Superzug

Ganz schnell Keine zehn Jahre ist es her, da musste das Land noch selbst Hochgeschwindigkeitsbahnen aus Europa oder Japan importieren. Inzwischen sind die Chinesen zum weltweiten Marktführer aufgestiegen

AUS PEKING Felix Lee

Als Werner Seifert 2008 das erste Mal in einem Hochgeschwindigkeitszug durch China brauste, fühlte sich der deutsche Ingenieur wie auf einer Zugfahrt von Kassel nach Frankfurt. Die Innenausstattung des chinesischen Zuges ähnelte dem deutschen ICE auffällig: Die Sitzgarnitur mit blauen Bezügen, der Veloursteppich – selbst die Gepäckablage war an der exakt gleichen Stelle montiert wie in einem deutschen Zug. Es roch sogar ähnlich. Verwunderlich war das nicht. Bei der chinesischen Variante mit der Bezeichnung CRH3C handelte es sich um die gleiche Velaro-Plattform von Siemens wie beim deutschen ICE 3. Eine halbe Stunde brauchte er für die rund 120 Kilometer zwischen Peking und der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin.

Heute legt der Ingenieur die 1.300 Kilometer zwischen Peking und Shanghai regelmäßig im Hochgeschwindigkeitszug zurück. Auch wenn die holzfarbenen Paneele im Gepäck- und Toilettenbereich noch immer denen eines ICE 4 ähneln, hat der 53-Jährige nicht mehr das Gefühl, in einem deutschen Zug zu sitzen.

Die Sitze stehen nun enger zusammen. Auf dem Boden liegt nicht Velours, sondern PVC. Vor allem aber ist der chinesische Zug sehr viel schneller als der ICE: Mit über 300 Stundenkilometer rast er über die chinesische Lößlandschaft. Für die Strecke zwischen der Hauptstadt und der Handelsmetropole am Jangtse-Delta braucht er weniger als fünf Stunden. „Dieser Zugtyp der Serie 380A ist eine rein chinesische Eigenentwicklung“, erklärt Seifert.

Der Eisenbahnbau ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich die globale Wirtschaft verändert hat: Viele Jahre lang waren die Briten führend beim Bau von Waggons und Lokomotiven. Dann wurden sie von den Deutschen, Franzosen und Japanern abgelöst.

Globaler Marktanteil von 70 Prozent erreicht

Nun hat China die Führung übernommen. Das chinesische Bahntechnikunternehmen CRRC hat allein 2016 weltweit Züge im Wert von rund sieben Milliarden US-Dollar verkauft. Damit verfügen die Chinesen bereits einen globalen Marktanteil von 70 Prozent.

Dabei musste China noch vor zehn Jahren seine Hochgeschwindigkeitsbahnen selbst aus dem Ausland beziehen. Damals war das Geschäft mit den Superschnellzügen ausschließlich in der Hand von europäischen Herstellern wie Siemens und Alstom oder Kawasaki aus Japan. Selbst die wenigen Züge, die in China hergestellt wurden, kamen nur mit Hilfe der Europäer oder Japaner zustande.

Den chinesischen Herstellern kommt nun zugute, dass ihre Regierung und die Staatsbetriebe in den vergangenen zehn Jahren so viel in den Ausbau eines eigenen Streckennetzes investiert haben, wie es keinem anderen Land geschah.Anfang dieses Jahres wurde eine weitere Strecke eröffnet: rund 2.300 Kilometer zwischen Shanghai und Kunming im Südwesten Chinas. Insgesamt sind damit über 20.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitstrassen für Züge in Betrieb, die 250 Kilometer oder mehr in der Stunde zurücklegen können.

Damit verfügt China inzwischen über das längste Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt. Damit ist es der Regierung aber noch lange nicht genug. Der Ausbau dürfte rasant weiter gehen: Bis 2020 soll das Netz auf 30.000 Kilometer anwachsen und 80 Prozent aller chinesischen Großstädte abdecken, bis 2030 sind gar insgesamt 45.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitstrassen geplant.

Die Staatsführung hat zugleich darauf geachtet, dass die Züge in China selbst produziert werden. Die Firmen Siemens, Alstom, Bombardier und Kawasaki durften nur unter der Bedingung ins Land kommen, dass sie mit chinesischen Partnern kooperieren.

Auf diese Weise erhielten die chinesischen Unternehmen Zugriff auf die komplette Technik und waren rasch in der Lage, ihre eigenen Züge zu bauen. Technisch können sie nun sowohl mit dem japanischen Shinkansen als auch dem ICE oder dem TGV mithalten.

Hersteller wie Siemens oder Bombardier beschwerten sich nicht – zumindest nicht öffentlich. Schließlich verdienen sie bis heute mit dem Verkauf von Komponenten kräftig an Chinas Boom mit – auch wenn es ihnen sicherlich lieber gewesen wäre, die Chinesen mit ihren Zügen zu beliefern.

Doch nun treten Chinas Eisenbahnbauer verstärkt international auf: Haben sie sich bislang darauf konzentriert, die Nachfrage bei den Superschnellzügen im eigenen Land zu befriedigen, expandieren sie nun ins Ausland.

In Kenia haben die Chinesen eine erste Strecke bereits fertig gestellt, Saudi-Arabien hat die chinesische Technik ebenfalls bestellt. Auch Russland, Brasilien und selbst Kalifornien führen Verhandlungen. Zugleich sind die chinesischen Konstrukteure eifrig dabei, ganz Südostasien mit ihrem Streckennetz zu verbinden.

„Technisch sind die chinesischen Züge längst wettbewerbsfähig“, sagt der deutsche Ingenieur Seifert. China punkte vor allem mit „sportlichen Preisen“. Auch Europa dürfte nicht verschont bleiben, ist er sich sicher: Die Briten hätten bereits Interesse an einem chinesischen Superzug bekundet.

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