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Das Beste kommt zum Schluss

Friedlich 76.000 Menschen demonstrierten am Samstag gegen die Politik der G20 und für grenzenlose Solidarität. Kurden, Flüchtlinge und Antikapitalisten zogen durch Hamburg. Sie setzten ein Zeichen gegen die Ausschreitungen vom Vorabend

Aus Hamburg Christian Jakob und Jean-Philipp Baeck

Eine Rednerin brachte es auf den Punkt. In Richtung der Polizei sagte sie: „Überlegt euch gut, welche Bilder ihr produzieren wollt, lasst das hier sein, was es ist: ein Fest der Solidarität.“

Gewalt und Demoverbote prägten die Woche, entsprechend schwarz sahen viele für den Abschluss der Gipfelproteste am Samstag. Bis zu 100.000 Menschen sollten teilnehmen. Die Zahl hatten Gipfelgegner als Zielmarke für die Großdemo am Samstag ausgegeben. Doch würden nach den schweren Ausschreitungen der beiden Vorabende tatsächlich noch solche Massen in Hamburg auf die Straße gehen?

Die Antwort darauf gab am Samstagmittag ein nicht zu überblickender kilometerlanger Demonstrationszug, der sich gegen das Treffen der G20 in Bewegung setzte. An der Spitze liefen die Linken-Vorsitzende Katja Kipping und der Grünen-Altlinke Hans-Christian Ströbele, davor Dutzende Polizisten.

Vollkommen friedlich lief die Menge durch die Hamburger Innenstadt. Die Veranstalter sprachen zunächst von etwa 40.000 Gipfelgegnern, die sich ab 11 Uhr vor den Deichtorhallen in der Nähe des Hauptbahnhofs versammelt hatten. Als die Spitze der Demo gegen 15 Uhr die Reeperbahn erreichte, korrigierten sie die Zahl auf 76.000. Die Polizei will am Ende 50.000 gezählt haben.

„Grenzenlose Solidarität statt G20“ war das Motto, aufgerufen hatten unter anderem die Partei die Linke, die Interventionistische Linke, der Kurdenverband Nav-Dem, Gewerkschaftsjugend und einige kirchliche Gruppen. Angemeldet hatte die Demo der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken aus Hamburg. „Die Herrschaften, die dort hinten tagen, treffen Entscheidungen, die nicht demokratisch legitimiert sind“, sagte van Aken bei der Abschlusskundgebung – „die Demokratie steht hier“. Er sagte, die „völlig sinnentleerte Gewalt“ des Vortags sei scharf zu verurteilen: „Davon distanzieren sich alle, einschließlich der Hamburger Autonomen.“

Die Polizei hatte am Samstagmorgen gewarnt, dass sich die Randalierer vom Vorabend unter die Demo mischen würden. „Es ist davon auszugehen, dass erneut kein friedlicher Protest möglich sein wird“, sagte Polizeipräsident Ralf Meyer. Von kleineren Rangeleien abgesehen, ließen die Beamten den Zug laufen. Polizeispaliere begleiteten die Blöcke der Demo, in der auch einige Menschen liefen, die schwarz gekleidet waren. Teilweise schloss sich eine Truppe von Clowns dem Spalier an. Eine Gruppe von in silberne Folien gekleideten Demonstranten hielt den Polizisten Aluspiegel mit der Aufschrift „verboten“ entgegen.

„Es ist fantastisch, wie viele Leute trotz wochenlanger me­dialer Hetze auf die Straße gegangen sind“, sagte Florian Wilde von der Linken, der den Lautsprecherwagen der Partei moderierte. Seit Wochen habe Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) mit Gewaltszenarien versucht, auch die große Samstagsdemo zu diskreditieren. „In der Polarisierung zwischen neoliberaler Mitte und Rechtspopulismus waren linke Alternativen kaum noch wahrnehmbar“, sagte Wilde. Die Demo habe dies durchbrochen und ein „weltweit wahrnehmbares Signal für antikapitalistische Positionen gesetzt“.

Alle denkbaren linken Gruppen, NGOs und AktivistInnen, die am Vortag die Protokollstrecken der Gipfelgäste blockiert hatten, waren auf der Straße. Die Demonstranten einte eher ein Gefühl als gemeinsame Themen: Einzelne ukrainische Nationalisten waren ebenso dabei wie türkische Kommunisten, Umweltschützer, Globalisierungskritiker und Gewerkschafter. Auch wenige Fahnen der Grünen waren zu sehen.

Ein großer Block der Seenotrettungs-NGO Sea Watch machte das Flüchtlingssterben im Mittelmeer zum Thema: „Stoppt den Krieg gegen MigrantInnen“ stand auf ihrem Transparent. Von einer Brücke spannten zwei Frauen ein Transparent: „G20 – wir sind nicht alle! Es fehlen die Ertrunkenen.“ Auch die Auschwitz-Überlebende ­Esther ­Bejarano sprach: „Ihr wollt nicht zusehen, wenn durch die Ausbeutung der Natur die Inseln Mikronesiens dem Klimawandel geopfert werden“, rief die 92-Jährige, „ihr wollt nicht zusehen, dass mit Waffenhandel viel Geld verdient wird!“ Die Stadt Hamburg habe sich gegenüber den Protestierenden „unwürdig erwiesen“ und „die Konfrontation gesucht“, sagte Bejarano. Kundgebungen, Demos und selbst das Schlafen seien verboten worden.

Besondere Präsenz zeigten Kurden, die weite Teile des Demozugs dominierten und gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan demonstrierten. Sie setzten sich über das kürzlich verschärfte Verbot hinweg, die Symbole kurdischer Organisationen zu zeigen. Eine Gruppe trug eine PKK-Fahne in der Größe eines Busses. Viele solidarisierten sich, sie nahmen kleine Fähnchen der syrischen Kurdenorganisationen entgegen und riefen: „Weg mit dem Verbot der PKK!“

„G20 – wir sind nicht alle! Es fehlen die Ertrunkenen“

Protestplakat von zwei Frauen

Am Ende des Zuges schritt die Polizei dann doch ein. Augenzeugen berichten, dass Polizisten einen kommunistischen schwarzen Block stürmten. Zehn Demoteilnehmer wurden von der Polizei herausgezogen und in der Nähe der St.-Michaelis-Kirche eingekesselt. Die Polizei gab später an, sie habe wegen Vermummungen und weiterer Straftaten „eine etwa 120 Personen umfassende Gruppe aus dem Demonstrationszug separieren“ wollen. Die Beamten seien geschlagen und getreten worden.

Eine halbe Stunde später hatte der Demozug dann Festivalcharakter. Allerdings drohte die Polizei erneut einzugreifen, obwohl die Menge lediglich zu Technomusik feierte. Am Millerntordamm dröhnen Soundsysteme von Lastwagen. Menschen tanzen, erst auf der Straße, dann im daneben liegenden Alten Elbpark.

Die Polizei postierte zwei Wasserwerfer mit Blickrichtung auf die entspannt und demonstrativ Feiernden. Weil der Rasen des Alten Elbparks in Gefahr sein könnte, kam es dann zu einem absurden Polizeieinsatz. Behelmte Polizisten umringten einen Landrover mit Disco-Aufbau. Dort legte ein Techno-DJ auf, der auch manchmal Seifenblasen verschoss. Der Wagen sollte zurück auf den Asphalt. Kurz entschlossen formierte sich eine Sitzblockade vor dem eigenen Lautsprecherwagen. Der DJ bat, den Weg frei zu machen. Zunächst blieb alles friedlich.

Doch dann eskalierte die Situation. Die Polizei begann, Einzelne aus der tanzenden Menge herauszugreifen. Und setzte dann auch den Wasserwerfer ein. Die Polizei begründete das mit Flaschenwürfen auf Beamte. Sie gehe nun gegen Störer vor. Die Menschen aber blieben besonnen. Die Polizei konnte nicht verhindern, dass es ein Festival der Solidarität blieb.

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