MEINUNGSSTARK
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Verteidigung der säkularen Demokratie

betr.: „Richter als Integrationshindernis“, taz vom 5. 7. 17

Christian Rath hat unrecht: Nicht die Karlsruher Richter sind ein Integrationshindernis, wenn sie durch das Kopftuch das Neutralitätsgebot des Richteramtes verletzt sehen, sondern die Menschen, die ihr religiöses Bekenntnis vor die Funktionsweise säkularer Demokratien stellen wollen. Fast alle Religionen, so wie der Katholizismus mit dem Berufsverbot für Frauen und der Islam mit seinen Bedeckungsvorschriften für Frauen, sind nicht ohne Weiteres mit demokratischen Prinzipien vereinbar. Natürlich sind Richter als Mann oder Frau, Alte oder Junge erkennbar, aber nicht als CDU- oder SPD-Anhängerin. Ein Kopftuch ist ein Ausdrucksmittel von Bekenntnis so wie ein T-Shirt von Parteizugehörigkeit. Das Tragen solcher Symbole an bestimmten Orten einzuschränken, ist nicht „rassistisch“, es gehört zur Selbstverteidigung einer säkularen Demokratie. STEFAN HIRSCHAUER, Mainz

Traumatisiert und zusätzlich traumatisiert

betr.: „Flüchtlingsgipfel in Paris: Hohle Versprechen“, taz vom 4. 5. 17

Die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan erhalten hier in Aachen negative Bescheide vom BAMF. Viele reichen mit Unterstützung von uns EhrenamtlerInnen Klage beim Verwaltungsgericht Aachen ein. Nachdem es erst hieß, die Verfahren dauern etwa 12 Monate, sind nun schon innerhalb weniger Monate erste Verhandlungstermine angesetzt. In einem Fall habe ich inzwischen selbst mangels anwaltlicher Vertretung die Begründung der Klage geschrieben. Es ist schwer für unsere Freunde, zeitnah Termine bei Anwälten zu bekommen. Dies ist aber nötig, weil innerhalb von vier Wochen nach Einreichen der Klage die Begründung dem Gericht zugestellt werden soll. Da die Verfahren vom Gericht in der Regel so eingeschätzt werden, dass wenig Aussicht auf Erfolg besteht, wird Verfahrenskostenhilfe in fast allen Fällen abgelehnt. Der billigste Anwalt in Aachen kostet immerhin für das Asylverfahren 800 Euro.

Ein Fall ist besonders dramatisch: Arif Nourozi, ein junger Afghane, der in Pakistan aufgewachsen ist und im Iran gelebt hat, bekam einen negativen Bescheid. Er ist schon sehr gut integriert und kann im Herbst eine Ausbildung beginnen. Wir tun alles dafür, dass er bleiben kann. Vor zwei Wochen nahm ein Sechzehnjähriger Kontakt zu mir auf. Auch er hat einen negativen Bescheid bekommen, obwohl er minderjährig ist und die Taliban die Familie in Haft nehmen und bedrohen. Er ist traumatisiert von den Erlebnissen in Afghanistan und jetzt zusätzlich traumatisiert von der Ablehnung, die er hier in unserem sicheren Land erfährt. Mein Mitbewohner und Freund Mohammad Shah Nazari stammt aus Kabul und ist jetzt als Flüchtling anerkannt. Seine Angehörigen können nun aber in Kabul keinen Termin vereinbaren, um die nötigen Visa für den Familiennachzug zu beantragen. Auch mit der Anerkennung hören die Probleme nicht auf. RALF COMMER, Aachen