Denkmal für sich selbst

Schrammel-Soul„It’s OK To Love DLDGG!“ heißt das neue Album der Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Das wühlt tief im Fundus der 1960er – und klingt trotzdem erstaunlich frisch

Fällt mit ihrem Humor angenehm aus dem Pop-Rahmen: die Liga der gewöhnlichen Gentlemen Foto: Stefan Malzkorn

von Florian Gelling

Kontinuierlich hegen und pflegen sie ihre ganz eigene Mischung aus Nor­thern Soul, Garagenrock und punkigem Schrammel-Pop. Nun hat sich die Liga der gewöhnlichen Gentlemen erlaubt, sich selbst ein kleines Denkmal zu setzen: „It’s OK To Love DLDGG!“ heißt das diese Woche erscheinende Album der fünf Hamburger und Berliner, die 2012 aus den Überresten der Band Superpunk hervorgegangen sind.

Schon damals waren der groovige Bass von Tim Jürgens und der Gesang von Carsten Friedrichs charakteristisch – und die stets originellen Texte, die mit kleinen, aber feinen Arbeiterklassen-Geschichten glänzten und sich so angenehm von der Masse des deutschsprachigen Pop abhoben. Seit dem Ende von Superpunk führten Jürgens und Friedrichs dieses Konzept fort, zusammen mit Philip Andernach an Saxofon und Gitarre, Tapete-Records-Mitgründer Gunther Buskies an den Keyboards und Heiko Franz am Schlagzeug. Und entwickelten sich dabei stetig weiter.

Drei Alben mit allesamt wunderschönen Titeln sind bislang erschienen. „Jeder auf Erden ist wunderschön“ hieß es 2012, das große Thema dabei: Fußball. Zwei Jahre später folgte „Alle Ampeln auf Gelb“ – unter anderem mit dem Song „Rock-Pop national“. Den übrigens kürte die taz anlässlich der Echo-Verleihung und der Kontroverse um die völkischen Dumpfrocker von Frei.Wild zum Song der Woche. Und vergangenes Jahr hieß es: „Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen!“

Ungewöhnlich viele gute Songtitel und treffende Statements gab es bei den gewöhnlichen Gentlemen schon immer: „Arbeit ist ein Sechsbuchstabenwort“ etwa oder: „Der beste Zechpreller der Welt“. Kleinkriminalität und Kneipenmilieu waren immer beliebte Themen. Und auch wenn Carsten Friedrich sich mit für die Popmusik ganz und gar ungewöhnlichen Themen wie der Zeitmaschine Vincent Van Goghs auseinandersetzt, dann in der eigenen Küche bei einem Gläschen Absinth.

Besonderes gern aber beschäftigten sich die Gentlemen immer schon mit heute fast vergessenen Helden der 1960er-Jahre: mit dem Schauspieler und Drehbuchautor Werner Enke („Zur Sache, Schätzchen“) oder Peter-Ernst Eiffe, der als erster Graffitikünstler Deutschlands gilt. 1968 überzog der ganz Hamburg mit Kritzeleien wie „Eiffe will Bundeskanzler werden“.

Überhaupt, die Sixties: Auch auf dem neuen Album sind sie wieder sehr präsent. Musikalisch vielleicht sogar noch ein bisschen deutlicher als sonst, beim Motown-mäßigen „Liebe wohnt hier nicht mehr“ etwa. Dabei wurden auch diverse technische Gerätschaften und rare Instrumente vergangener Jahrzehnte genutzt. Passenderweise erklärt die Band dazu im Waschzettel zur Platte, es handele sich deshalb um ein Konzeptalbum wie „Sgt. Pepper“ von den Beatles – aber „ohne die Langweilerstücke. (…) Und in schneller. Und ohne die Beatles. Und mit einem S/W-Cover. Und eher 65 als 67. Und halt eher TVPs als die Beatles. Und ohne LSD.“

Die Beatles werden auf „It’s OK To Love DLDGG“ denn auch ganz konkret erwähnt, im Song „Und Pete kämmt die Haare zurück“, Pete Best gewidmet, der Anfang der 1960er-Jahre bei den Liverpoolern trommelte, aber bald gegen Ringo Starr eingewechselt wurde. Wieder so eine in Vergessenheit geratene Persönlichkeit also. Und genau solche Themen machen die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ja so liebenswert – wer singt sonst über so etwas? Oder über den „Großen Kölner Pfandflaschenbetrug“?

Das mag alles ein bisschen altbacken klingen – als würde die Liga bevorzugt in der Vergangenheit leben. Aber selbst wenn es so wäre: nicht so tragisch! Denn zum einen klingt das neue Album erstaunlich frisch: Vor allem die Blasin­strumente und Chöre sind sehr charmant. Und diverse charmante musikalische Gäste sind auch dabei, zum Beispiel Andreas Dorau.

Zum anderen thematisieren die Gentlemen ihr eigenes Altern und Altmodischsein selbst immer wieder humorvoll und machen sich dadurch natürlich ziemlich unangreifbar – eben wohltuend anders als die in der Popmusik heute allgegenwärtigen „ernsten Männer“, über die sie in „Ballade von der Band“ singen.

Überhaupt spielte Humor seit jeher eine zentrale Rolle: sich selbst nicht immer so ernst nehmen! Und letztlich gilt auch: Wer dem Zeitgeist hinterherläuft, ist ja meistens eh schon abgehängt. Noch was vergessen? Ach ja: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist auch eine ausgezeichnete unterhaltsame Live-Band. Am Freitag kann man sich davon selbst überzeugen, wenn sie „It’s OK to love DLDGG!“ im Hafenklang vorstellen.

„It’s OK to love DLDGG!“ erscheint am 14.7. auf Tapete Records.

Plattenrelease-Show: Fr, 14. 7., 21 Uhr, Hafenklang