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Über dicke Bäuche in der Politik

Foto: Ulrich Baumgarten/vario-press

Jemand Kluges sagte neulich, mit dem Ableben Helmut Kohls sei nun auch die Zeit des politischen Dickenwitzes unwiederbringlich zu Ende gegangen.

Den, den manche Alt- und andere lieber nur Exkanzler nennen wollen, auf einen Bereich herunterzubrechen, der allein seine nur nach Wolfgangseefastenkuren mit der Spezialdiät aus – über den Tag – je einer trockenen Brötchenhälfte und zu löffelndem dünnen Tee vorübergehend heruntergehungerte Leibesfülle betrifft und sein eigentliches Tun und Treiben als Politiker, als, wie die unvergleichliche Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitungneulich im Bann der Todesnachricht, schrieb „Pater Patriae“ außer Acht lässt, wird ihm historisch nicht gerecht, wobei Weltpolitik im Bonner Kanzleramt natürlich auch oft beim – gehaltvollen – Arbeitsessen gemacht wurde und man das Kohl, nun ja, auch ansah. Vielleicht etwas abwegig, die Sache mit dem Ende des Dickenwitzes zu kühn gethest.

Wobei: Es verbirgt sich dahinter etwas anderes, was nun zu Ende gegangen ist, zumal Dickenwitze eh immer schon despektierlich waren: Ein Zeitalter ist zu Ende gegangen, vielleicht ist es das endgültige Ende der Bonner Republik – Genscher tot, Schmidt tot, fast alle tot –, in der es durchaus mehr „Dicke“ mit großen Brillengestellen gab und Leibesfülle eher als Machtinsignie galt denn als Symbol von Trägheit an Körper und Geist, wie man es heute zwischen den schlanken Kerlen in Slim-fit-Anzügen und ebenfalls drahtigen Frauen wohl so sieht.

Und noch etwas anderes streifen die Gedanken um dicke Bäuche in der Politik: Helmut Kohl war der bislang letzte Schichtleiter im Kanzleramt, der nicht nur aus der Provinz kam, sondern sie auch lebte, sich zu ihr bekannte, was sich bei Weitem ja nicht nur in der Auswahl seiner Tellergerichte bemerkbar machte. Oggersheim blieb für ihn das Zentrum, der Fixpunkt, von dem aus er die Welt betrachtete. Es mag sich das politische, kulturelle, gesellschaftliche Leben und dessen Ausgestaltung inzwischen deutlich weiter nach Berlin verschoben haben, von dort aus wird das Land nun gedacht, aber das Land selbst ist in weiten Teilen Provinz geblieben, kohlhaft.

Lukullisch gedacht eher Saumagen – wenn der Kanzler Kohl als Lieblingsgericht auch eher angehängt wurde – als irgendeine vegane Speise, mühsam zusammengesetzt aus vielen Zutaten, um einigermaßen schmack- wie nahrhaft zu sein.

Drehen wir es also so: Dickenwitze waren nie lustig, es gab früher mehr Dicke in der Politik, Essen aus der Provinz macht nicht unbedingt dick, kann aber der Verankerung des politischen Tuns in der Allgemeinheit dienen, die nicht nur städtische Avantgarde ist. Das ist vielleicht etwas, das nun, mit Kohls Beerdigung in der Heimat, zu Ende geht – während das Provinzfood urbanisiert fortlebt. FeZ

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