Spielfilm „Der Tod von Ludwig XIV.“: Der König stirbt
Im Film „Der Tod von Ludwig XIV.“ erkundet Albert Serra das Unvergängliche im Vergänglichen. Seine Einsichten setzt er faszinierend präzise in Szene.
Ludwig XIV., König von Frankreich, der „Sonnenkönig“, starb am 1. September 1715 im Alter von 76 Jahren zu Versailles. Der Film, den Albert Serra über dieses Sterben jetzt gedreht hat, ist ein sehr wertvolles Geschenk an die Zuschauer. Sogleich mit den ersten Bildern und Tönen tauchen wir in die feierliche Stille eines fremden Jahrhunderts ein.
Kerzenlichter erhellen ein wenig die Dunkelheit um den im Sterben liegenden König. Sie sickern nur ein durch Bereiche, in denen die Schatten stärker sind als deren Gegenstand. Keinen Traum, kein Wachen bringt dieser subtile, sensitive Film zum Ausdruck, sondern ein Bewusstsein zwischen beiden, doch überhöht.
Wir sehen dem Tod bei der Arbeit zu, aber auch die Erfahrungswelt des Sterbenden teilt sich uns mit. Die gedämpften Stimmen von Vertrauten des Königs, die sich plaudernd oder Rat suchend (die Ärzte) in seiner Nähe aufhalten, hören sich an wie beim Erwachen aus einem Traum, wenn wir eben noch den Zipfel eines Gesprächs erwischen, als ob wir in eine fremde Leitung geschaltet wären.
Am stärksten bleibt der Tastsinn erhalten, er führt auf den Grund der Wahrnehmung. Wenn der König das Fell seiner Windhunde streichelt und sie krault, bedarf dieser Genuss keiner Erklärung; er ist einfach da. Die Berührung ist sanft. So auch die eines Biskuits, von Wasser und Wein, die auf der Zunge zergehen, sie netzen.
„Der Tod von Ludwig XIV.“ Regie: Albert Serra. Mit Jean-Pierre Léaud, Patrick d’Assumçao u. a. Frankreich/Portugal/Spanien 2016, 115 Min.
„Heute“, schrieb Ernst Jünger 1987, „droht nicht nur der schnelle, sondern sogar der blitzartige Tod. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht die Verkürzung oder die Überblendung der Agonie eine besonders schwere Beraubung darstellt.“ Beim Todeskampf Ludwig XIV. nehmen wir das unerbittliche Vorrücken der Zeit wahr, bis eine Stimme sagt: „Der König ist tot.“
Was ist dabei für den Autor-Regisseur das Wichtigste? Die Wiederentdeckung des Unvergänglichen in der vergänglichen Zeit: des Seins in der Existenz. Die Präzision, mit der diese Entdeckung hier in Szene gesetzt wurde, fasziniert. Sie hat in sich etwas Transzendentales, verscheucht Schmerz und Gefahr.
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