Nachhaltiger Glücksfall

QUALITÄTSSCHUB Beim 2:1-Erfolg gegen Bremen zeigt sich, dass Schalke 04 stabiler denn je ist und Rückschläge bravourös wegsteckt

Es herrschte eine seltsame Atmosphäre. Die Partie zwischen Schalke 04 und Werder Bremen war erst wenige Minuten beendet, mit 2:1 hatte der Revierklub gewonnen, nach dem Abpfiff ging es aber sofort um die großen Fragen, die weit über diesen Nachmittag hinausreichen.

Wird Klaas-Jan Huntelaar schon im Winter verkauft, weil das die letzte Gelegenheit für die hoch verschuldeten Schalker wäre, eine Ablöse zu generieren? „Nein, ich möchte bis zum Ende der Saison hier bleiben“, erwiderte der Stürmer. Wie steht es um die Zukunft von Lewis Holtby? Er versuche diese Diskussion „auszublenden“, meinte der Mittelfeldspieler, während drüben in der Ecke Klaus Allofs stand, der vom VfL Wolfsburg umworbene Bremer Manager. Die Art, wie Allofs herumlavierte, schürt Vermutungen, dass es bald zu einem Abschied aus Bremen kommt. Vielleicht gab es ja tatsächlich noch keine direkten Gespräche, wahrscheinlich ist aber, dass irgendwelche Mittelsmänner längst mit den Details eines Wechsels befasst sind.

Mit 1:0 hatte Aaron Hunt Werder in Führung gebracht (16.), lange waren die Bremer besser, aber für Schalke spielt im Augenblick der Mann mit der Glückssträhne: Roman Neustädter. In seinen drei Jahren bei Borussia Mönchengladbach hat der Mittelfeldspieler ein Törchen erzielt, für Schalke traf er am Samstag schon zum dritten Mal (59.). Am Donnerstag ist er von Joachim Löw in die Nationalelf berufen worden, gegen Bremen markierte sein Kopfballtor den Wendepunkt der Partie. Der Kader habe eben „einen sehr guten Charakter“, meinte Trainer Huub Stevens, dessen Team zwar erstmals in dieser Saison einen Rückstand in einen Sieg verwandeln konnte, aber schon unter der Woche gegen den FC Arsenal einen 2-Tore-Rückstand aufholte.

Schalke funktioniert im Moment hervorragend, obwohl Topstürmer Klaas-Jan Huntelaar ebenso wie Lewis Holtby in einem kleinen Leistungstief steckt und Ibrahim Afellay kaum etwas zum Spiel beizutragen hatte. Mitentscheidend war, dass zur Halbzeit Julian Draxler in die Partie kam, der übrigens wie Neustädter und Benedikt Höwedes eine Nationalmannschaftseinladung erhalten hat. Der 19-Jährige erzielte den Siegtreffer und bekam von Manager Horst Heldt zu hören, dass er „über eine unfassbare Qualität“ verfüge.

Schalke hat eine beeindruckende Nachhaltigkeit entwickelt. Gleichzeitige Erfolge in der Bundesliga und im Europapokal hat der Klub jedenfalls kaum einmal zustande gebracht. Dumm nur, dass die Bayern wieder mal eines ihrer Zuckerjahre haben, aber vielleicht ist sogar das ein Glücksfall. Denn so bleibt ihnen die lästige Auseinandersetzung mit dem hinterlistigen Meisterschaftstrauma erspart.

DANIEL THEWELEIT