In Schleswig-Holstein werden Straftaten salonfähig: Vom Wut- zum Tatbürger
Im Land zwischen Nord- und Ostsee sind die rechten Straf- und Gewalttaten gestiegen. Das offenbaren die neuesten Zahlen des Verfassungsschutzes in Kiel. Im Jahr 2016 zählten die zuständigen Behörden alleine 66 Gewalttattaten, 2015 waren es noch 38. Ein Anstieg um 73 Prozent. Die Straftaten sind um knapp 21 Prozent gestiegen. „Diese Zahlen überraschen mich nicht“, sagt Torsten Nagel, Landeskoordinator der regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein.
Im vergangenen Jahr musste das Beratungsnetzwerk im gesamten Land gestiegene Aktivitäten aus der heterogenen rechten Szene beobachten. Sehr selbstbewusst würden einzelne Gruppen den öffentlichen Raum verstärkt für sich nutzen. Von einfach mal Sticker verkleben, bis Störaktionen bei Veranstaltungen, sagt Nagel. Betroffene von rechter Gewalt seien aber nicht nur Geflüchtete, sondern auch ihre Unterstützer. „Wir erleben nicht nur, dass Mitglieder von Initiativen für Geflüchtete verbal bedroht werden“, sagt Nagel. Was sich auch bundesweit beobachten lässt: in Schleswig-Holstein kommen die Täter nicht alle aus der rechtsextremen Szene, nicht alle sind polizeilich bekannt. Vom Wut- zum Tatbürger scheint es für einige kein weiter Schritt zu sein.
arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
„Eine Enthemmung bei einzelnen Menschen, die bisher nicht auffielen, ist zu beobachten“, sagt Nagel. Die Stimmung habe sich verändert. „Auch hier im Land wirkt sich die anhaltende Hetze und der nachhaltige Hass gegen Geflüchtete aus.“ Im Vergleich zum Vorjahr ist auch bei dem Netzwerk die Zahl von Beratungen gestiegen. Nicht bloß im Internet wäre der Ton rauer geworden. Die Identitäre Bewegung ist in Schleswig-Holstein zwar nur eine kleine Gruppe, sagt Nagel, sie würde aber auch auf der Straße die Stimmung anheizen. Das Agieren der AfD im Lande würde auch nicht gerade rechte Ressentiments abbauen. „Im Gegenteil“, so Nagel.
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