: Basketball zum Staunen
American Pie In einer spektakulären Finalserie setzen sich die Golden State Warriors gegen den formidablen Titelverteidiger, die Cleveland Cavaliers, in nur fünf Spielen durch und nähren den Nimbus der Unschlagbarkeit
Von Sebastian Moll
Kevin Durant war nicht nach Jubeln zumute, als endlich, nach fünf schier endlosen Partien, die erlösende Schlusshupe durch die Oracle Arena in Oakland dröhnte. Anstatt wie sein Teamkollege Stephen Curry vor der Fantribüne auf und ab zu hüpfen und den gerade gewonnen Titel zu feiern, sank Durant seinem härtesten Gegner, LeBron James, in die Arme.
Es war eine lange, eine innige Umarmung, die vieles über den Verlauf dieser Finalserie zwischen den Cleveland Cavaliers und den Golden State Warriors aussagte. Die beiden Männer und die Teams, die sie anführten, hatten sich gegenseitig alles abverlangt und sich dabei gegenseitig zu Leistungen gepusht, die weit über ihre vermeintlichen Grenzen hinausgingen.
Das war schon allein daran zu sehen, wie die beiden später, von den Strapazen geplagt, in den Pressesaal humpelten. Und es war daran abzulesen, wie viel Druck beide während der vergangenen Tage verspürt hatten: „Ich habe die ganze Woche praktisch nicht geschlafen“, gestand Kevin Durant mit der Trophäe für den wertvollsten Final-Spieler in der Hand. Zudem trug er das frisch gedruckte Meister-T-Shirt. Zum ersten Mal in seiner Karriere wurde der 28-Jährige NBA-Champion.
Die nackten Statistiken der Finalserie sahen indes gar nicht nach einem derart harten Kampf aus. Das Superteam der Golden State Warriors, von Anfang an hoch favorisiert, schien überlegen. Die beiden ersten Partien gingen mit 22 und 19 Punkten an Golden State, am Montag gewannen sie mit 129:120. Cleveland konnte der Truppe um Durant, Stephen Curry und Draymond Green gerade einmal eine Partie abtrotzen. Ansonsten schien Golden State von Anfang an die Serie unter Kontrolle zu haben.
Doch Golden-State-Coach Steve Kerr bemerkte nach dem Titelgewinn in einem zutiefst ehrlichen Kompliment an Cleveland, dass diese Zahlen dem Verlauf der Serie und der Qualität beider Mannschaften nicht gerecht wurden. „Ich habe selbst manchmal am Rand gestanden und einfach nur gestaunt, was da von beiden Seiten für ein unglaublich toller Basketball abgeliefert wurde.“
Diesen Eindruck teilte zweifellos jeder, der diese Serie auch nur oberflächlich verfolgt hatte. Da war auf der einen Seite die Startruppe aus Kalifornien mit ihrem irrsinnigen Tempo und jener unheimlichen Treffsicherheit aus der Distanz, die ihr in den vergangenen Jahren den Nimbus der Beinahe-Unbesiegbarkeit eingetragen hat. Und dann waren da James’ Cavaliers, die sich einfach nicht unterkriegen ließen, die immer wieder dagegenhielten und dabei immer weiter über sich hinauswuchsen.
Das war sicher am deutlichsten in der vierten Partie letzten Freitag zu spüren, als Cleveland vor eigenem Publikum kurz vor dem Aus stand. Doch LeBron James und sein Co-Kapitän Kyrie Irving übertölpelten von der ersten Sekunde an die siegesgewissen Warriors mit einer Vorstellung, die selbst jene Fans sprachlos machten, die sich noch an die goldenen Zeiten der Chicago Bulls erinnern.
Irving und James waren überall auf dem Platz, zu schnell und zu unberechenbar für Durant und Co. Sie trafen aus jeder Distanz und aus jeder Lage. 49 Punkte standen nach dem ersten Viertel für die Cavaliers zu Buche, nach der ersten Hälfte sagenhafte 83. Kyrie Irving beendete den Abend mit 40 Punkten, James erreichte schon seinen zweiten „Triple Double“ der Serie – eine zweistellige Punktzahl in allen drei aussagekräftigen Leistungsstatistiken. „Ich hatte gehofft, dass die irgendwann müde werden“, sagte hinterher Warriors-Coach Steve Kerr. „Doch sie wurden es einfach nicht.“
Auch im letzten Spiel sah es zunächst so aus, als ob Cleveland dem Dreamteam aus der Bucht von San Francisco trotz deren Heimvorteil den Schneid würde abkaufen können. Zwischenzeitlich lagen sie mit mehr als sechs Punkten vorne, doch dann legten die Warriors innerhalb von vier Minuten einen Lauf von 21:2 Punkten hin, darunter ein Distanzwurf von Durant, bei dem man sich die Augen reiben musste. Obwohl James und Irving erneut eine herausragende Vorstellung boten, konnten die Cavaliers diesen Vorsprung nicht mehr wett machen.
Die Tatsache, dass Cleveland trotz eines Feuerwerks an Energie und Athletik am Ende doch keine Chance hatten, löste indes erneut die Rede von einer „Dynastie“ in Oakland aus. Ein ganzer Chor an Kommentatoren erklärte zum wiederholten Male die Warriors mit ihrem neuen Star Durant als auf Jahre hin unbesiegbar.
Liga-Chef Adam Silver wollte jedoch von einer solchen Monotonie nichts wissen. „Solche Dinge ändern sich schnell“, meinte er. Und LeBron James wollte davon schon gar nichts hören. „Es gibt kein Superteam“, sagte er, trotz Ermattung bereits wieder kämpferisch. „Wir sind ein Superteam.“ Dann humpelte er aus dem Saal, im Geiste schon wieder bei der Revanche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen