: Saif al-Islam Gaddafi ist wieder auf freiem Fuß
LibyenDer Gaddafi-Sohn, wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt, galt als Erbe des Diktators
Der 44-jährige Gaddafi sei am Freitag entlassen worden und habe die Stadt Zintan verlassen, teilte die Brigade, die ihn bis dahin festgehalten hatte, am Sonntag mit. Sie habe entsprechende Anweisungen bekommen. Sein Anwalt erklärte, aus Sicherheitsgründen könne er nicht sagen, wo sich Saif al-Islam nun aufhalte. „Er kann gehen, wohin er will“, sagt Eisa al-Saghir, Unterstaatssekretär der international nicht anerkannten Regierung im ostlibyschen al-Baida der taz.
Ein Gericht in der Hauptstadt Tripolis hatte Saif al-Islam 2015 wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt, unter anderem wegen der Tötung von Demonstranten während des Aufstands gegen seinen Vater. Libyen ist seitdem im Chaos versunken. Zahlreiche Milizen und unterschiedliche Regierungen kämpfen um die Macht. Der Gaddafi-Sohn könnte nun von einem Amnestiegesetz einer der Regierungen profitiert haben.
Ein Gericht in dem mit der Armee verbündeten Zintan hatte in den letzten Jahren mehrmals die Überstellung von Saif al-Islam nach Tripolis abgelehnt, da man dessen Exekutierung durch die in der Hauptstadt tonangebenden Islamisten befürchtete.
An den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, auf dessen Fahndungsliste Gaddafi weiterhin steht, will ihn keine der Kriegsparteien ausliefern, auch wenn es der revolutionäre Übergangsrat war, der den ICC 2011 bat, die Führungsriege des ehemaligen Regimes wegen Kriegsverbrechen zu belangen.
In dem vergessenen Süden, wo die Mehrheit 2011 bis zuletzt zu Gaddafi gehalten hatte, feierten viele trotz der grassierenden Schießereien und Entführungen die Freilassung. „Im ganzen Land suchen die Menschen eine Führungsfigur, die Sicherheit, Ordnung und eine Stabilisierung der abstürzenden Wirtschaft bringt“, so Aboasom Alafi, ein Aktivist aus Sebha.
In seiner berühmten Rede direkt vor dem Ausbruch der Kämpfe im Februar 2011 hatte Saif al-Islam den protestierenden Bürgern nicht nur mit einem Militäreinsatz, sondern auch mit der Einstellung der Wasser-, Strom- und Benzinversorgung gedroht. Nach seiner Gefangennahme 2013 schnitten ihm revolutionäre Kämpfer die drei Finger der rechten Hand ab, die er bei der Aufzählung in die Kamera gehalten hatte.
Mirco Keilberth
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