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Papa geht’s schlecht

Buch „Die Brüllbande“ handelt von Kindern, Straßenmusik und dem ersten eigenen Geld. Und von Depressionen

Bild: Verlag Beltz & Gelberg

Bastian braucht Geld für ein Spielzeugraumschiff. Und weil seine Eltern ihm aus erzieherischen Gründen keins geben wollen, schlägt er sich mit Freunden in ähnlicher Notlage mehr schlecht als recht als Straßenmusiker durch. Das ist alles sehr lustig und einfühlsam erzählt und macht Eltern genauso viel Freude wie den jungen Jugendlichen, für die das Buch geschrieben wurde. Doch was Jörg Isermeyers Roman „Die Brüllbande“ eigentlich auszeichnet, ist überhaupt kein Spaß: Bastians Vater ist nämlich depressiv.

Das Windpark-Projekt, in dem er arbeitet und sich als Weltverbesserer fühlt, platzt. Gleichzeitig stirbt ein alter Freund aus kämpferischen Tagen: Mit ihm hat Bastians Papa sich damals an Bauzäune gekettet und so weiter. Die Sinnkrise aus Lohnarbeit, Selbstzweifel und Trauer haut ihn schließlich um. Bastian, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt ist, versteht das nicht. Hört nur: Papa hat eine Krankheit. Eine, an der man zwar angeblich nicht sterben kann, die Mama aber trotzdem in Panik versetzt, als er mal auf einen unangemeldeten Spaziergang aufbricht.

Isermeyers Kunststück, für das er auf der Leipziger Buchmesse gerade mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet wurde, ist nun, beide Geschichten – Vater und Sohn – zu Wort kommen zu lassen, ohne den einen zum Statisten des jeweils anderen zu machen. Weil Familie eben aus unterschiedlichen Menschen besteht, deren Schwierigkeiten einander zwar beeinflussen, die aber dennoch vor allem auch für sich selbst klar kommen müssen.

Und auch wenn das schlimm pädaogisch klingt, ist es doch vor allem eine richtig schöne Geschichte über das Leben und über Musik. Denn auch wenn es Bastian, Tammo, Claudia und dem „dicken Yüksel“ (allesamt musikalisch ungeschult, mittelmäßig motiviert und nichtmal im Besitz von Instrumenten) am Anfang erst mal nur um die Kohle geht: Am Ende gibt es dann doch kein Raumschiff, sondern doch lieber eine richtige Gitarre. jpk

Jörg Isermeyer: „Die Brüllbande“, mit Illustrationen von Kai Schüttler, 2017, Beltz & Gelberg, 208 S., 12,95 Euro

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