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■ „Nach dem Brand“ Deutschland 2012, R: Malou Berlin
Die Regisseurin Malou Berlin hat in den letzten vier Jahren die Familie Arslan begleitet. Bis zur Nacht des 23. November 1992 lebten die Arslans in drei Wohnungen in einem alten Fachwerkhaus in der Mühlenstraße 9 in Mölln. Durch einen Brandanschlag von Neonazis starben Yeliz Arslan, 10, Ayse Yilmaz, 14, und Bahide Arslan, 51. Der damals siebenjährige Ibrahim überlebte verletzt, weil seine Oma Bahide ihn in nasse Decken einwickelte.
Mölln, die idyllische Kleinstadt am See. Ibrahim wird gefilmt, wie er über die schöne Altstadt schaut: Dort war unser Haus. Keiner aus der Familie ist nach der Restaurierung in das Haus zurückgezogen.Seine Mutter Hava spricht im Film Türkisch. Bis zum Brand hat sie Deutsch gesprochen. Nachdem sie sich kopfüber aus dem dritten Stock gestürzt hat war alles weg. Auch der Vater, Faruk Arslan, spricht offen über sich und das Leben nach dem Brandanschlag. In ihrer neuen Wohnung hängt ein großes Porträtfoto der von den Nazis getöteten Schwester Yeliz. Und über der Tür ein Foto der erstickten Oma.
Die Regisseurin Malou Berlin ist mit Kamerafrau Susanne Dzeik und Tonmann Rene Paulakot bei der Familie. Sie kommen den Arslans nicht nur mit den Aufnahmen nah. Der ganze Film nimmt voller Empathie die Perspektive der Opfer ein. Und zeigt ihr Ringen um ein gutes Leben, trotz der traumatischen Erlebnisse. Die beiden Neonazis, die wegen des Brandanschlags verurteilt wurden, sind längst wieder auf freiem Fuß. Faruk Arslan sind ihre Namen präsent: Lars Christiansen und Michael Peters. Sie wurden erwischt. Weil sie sich mit einem Anruf bei der Feuerwehr zu ihrer Tat bekannten: „In der Mühlenstraße brennt es! Heil Hitler!“ Ibrahim Arslan schaute sich aus Anlass der Dreharbeiten die Zeitungsartikel und Prozessberichte von damals an. Darunter ein Foto, auf dem Michael Peters den Hitlergruß zeigt, neben ihm dabei lachend seine Mutter. Sonst ist das deutsche Umfeld der Nazis kein Thema.
Die Leerstelle des Filmes ist der Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft: er kommt nicht vor. Weder der institutionelle noch der alltägliche Rassismus. So eindrücklich die in ihren Traumata gefangenen Arslans gezeigt werden, so schräg wirkt es, wenn die einzigen im Film auftretenden Deutschen die sich an den Gedenkveranstaltungen beteiligenden sind. Kein Wort dazu, dass Bild über Faruk Arslan titelte „Der frechste Türke“, weil er eine finanzielle Entschädigung forderte. Die mittlerweile in Hamburg lebende Familie Arslan musste sich die ihnen zustehende Hilfe vom Sozialamt mühsam erstreiten. Anfang November wurde in Mölln an mehr als 20 Hauswände „Nationaler Sozialismus jetzt“ geschmiert. Gaston Kirsche
Fr, 16. 11., 18 Uhr, Augustinum, Sterleyer Straße 44, Mölln. Mi, 21. 11., 0 bis 0.50 Uhr, läuft der Film im NDR. Die Uhrzeit legt nahe, wie wichtig den Programmverantwortlichen dieses Thema ist