: Boot nach Oklahoma
Ratloser Blick vom Balkon ins New Yorker Gewühl: Volker Langs mit einer Textmontage beschallte Installation „Südwärts“ in der Hafencity spürt dem Phänomen „Auswanderung“ nach
von Petra Schellen
Vielleicht ist dieses Haus ja selbst das Kafka‘sche „Theater von Oklahoma“. Vielleicht versammeln sich hier nächtens die Seelen derer, die einst auswanderten von hier und anderswo, wobei sich die Konkurrenz Hamburgs und Bremerhavens in puncto „Auswanderermuseum“ als Fokus besonders eignet: „Südwärts“ hat Holzbildhauer Volker Lang sein mit Sitzstufen möblierten Holzhäuschen am Dalmannkai genannt, das man täglich bis 18 Uhr besuchen kann.
Die Bühne, zu begutachten durch drei großzügig ausgeschnittene Fenster: die silbrige Elbe mit Booten jeder Größe, vielleicht auch mal ein Kreuzfahrtschiff. Ein hochsentimental stimmendes Panorama also, das sich gegenüber jenem mit Lautsprechern bestückten Raum entfaltet, der sich Facetten des Auswanderertums widmet und schlicht „Südwärts“ heißt. „Weniger elitär“ als sein 2001 am Feenteich aufgestelltes „Wellenhaus“, das er mit Texten von Virginia Woolf beschallte, nennt Lang diese Installation, die seinem Wunsch, sich mit Minderheitenschicksalen zu befassen, Ausdruck verleiht.
Aus Texten von Dickens, Yeats, Joseph Conrad und Kafka sowie autobiographischen Schriften und sogar einer Sentenz vom Sockel der New Yorker Freiheitsstatue hat Lang seine Montage gewoben, zur Dramaturgie einer Reise geformt und von den SchauspielerInnen Susanne Wolff, Jessica Kosmalla und Franz-Josef Steffens sprechen lassen. Und so hört man sie also werben, jene Ausrufer „letzter Chancen“ für Ausreise und Neubeginn, hört leise erzählen von jenem nachgeholten Kind, dessen Vater sich alsbald absetzte, lässt Beamte fragen, was man tun solle mit den mittellos anlandenden all jenen Massen.
Andererseits: Wie verträgt sich die Arroganz der Nobelpassagiere mit jenen fast Gekenterten, die der Kapitän spontan an Bord nahm? Wer gedenkt derer, die ihr Ziel nicht erreichten? Die es den bei Gibraltar anlandenden Flüchtlingen gleichtaten und ihren Mut mit dem Tod bezahlen?
Fragen, die der Text immer wieder zwischen die Erwartung der Reisenden tropft, ohne zu moralisieren. Fragen, gespickt mit Zweifeln am Allheilmittel Flucht, die auch Verquickungen gebären wie diese: „Schickt mir eure Müden, eure Armen ... schickt alle die Heimatlosen und Umhergetriebenen zu mir. / Flüchtlinge, die die Freiheit suchten, waren es, denen unser Land seine Größe verdankt.“ Man mag es glatt bezweifeln.
„Südwärts“: geöffnet täglich 10–18 Uhr, Strandkai/Dalmannkai beim Grasbrookhafen; bis 13.11.