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Flüchtlinge pfeifen auf Abschiebung

Solidarität Mit einer friedlichen Protestaktion haben Geflüchtete in Osnabrück die Abschiebung von zwei Sudanesen gestoppt – zumindest vorerst

In Osnabrück haben Geflüchtete eine Abschiebung verhindert. Es war noch mitten in der Nacht, als die Polizei mit zwei Mitarbeitern der niedersächsischen Landesaufnahmebehörde am 31. Mai 2017 an der Flüchtlingsunterkunft am Ickerweg ankam, kurz vor vier Uhr, um genau zu sein. Zwei Sudanesen sollten nach Italien und Norwegen – ihre europäischen Ersteinreiseländer – abgeschoben werden. Doch die Bewohner der Unterkunft bekamen den Einsatz mit und schlugen mit Trillerpfeifen Alarm.

Darüber, wie viele Geflüchtete sich den vier Polizisten daraufhin friedlich in den Weg stellten, gibt es unterschiedliche Aussagen. Während die Polizei von rund 50 Menschen spricht, geht die Unterstützergruppe No Lager Osnabrück von bis zu 150 Demonstranten aus. Die Geflüchteten hätten den Protest selbst organisiert. „Sie versammelten sich vor den Häusern, um gemeinsam, entschlossen, lautstark, aber friedlich gegen die eingedrungene Polizei und die anstehenden Abschiebungen zu protestieren“, heißt es in einer Mitteilung von No Lager. In der antirassistischen Gruppe engagieren sich Geflüchtete und Unterstützer.

Die Demonstranten sangen auf Arabisch und Englisch und forderten die Polizei auf, das Gelände zu verlassen. Die Beamten seien mit ihren Wagen dann tatsächlich vor das Haupttor gefahren, um auf Verstärkung zu warten. Die Geflüchteten hätten in der Zwischenzeit das Tor geschlossen, heißt es von No Lager. Die Polizisten und Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde seien dann nach einiger Zeit unverrichteter Dinge wieder gefahren. Auch die Polizei bestätigt, dass der Einsatz abgebrochen wurde, allerdings aus einem anderen Grund. Die beiden Sudanesen seien nicht angetroffen worden, sagt Anke Hamker, die Pressesprecherin der Polizei Osnabrück.

Der niedersächsische Flüchtlingsrat lobt die Aktion: „Wir sind begeistert, dass sich Flüchtlinge solidarisch einer Abschiebung im Morgengrauen widersetzen“, sagt der Geschäftsführer der Organisation, Kai Weber. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) habe zu Beginn seiner Amtszeit versprochen, Menschen möglichst nicht mehr unangekündigt und bei Nacht abzuschieben. Einige Asylpakete auf Bundesebene später sind Nachtabschiebungen in Niedersachsen jedoch wieder gängige Praxis.

„Immer wieder werden nachts Flüchtlinge überfallen und abgeholt“, sagt Weber. Es sei aber wichtig, dass sich die Menschen auf ihre bevorstehende Abschiebung vorbereiten könnten.

Bei zukünftigen Protestaktionen hofft Weber, dass die Polizei im Zweifel lieber eine Abschiebung abbricht, damit die Situation nicht eskalieren kann. „Wir appellieren an das Innenministerium, die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu bewahren.“

Die Polizei Osnabrück beantwortete die Frage, ob zukünftig mehr Polizisten Abschiebungen aus der Osnabrücker Unterkunft begleiten sollen, nicht. Laut Landesaufnahmebehörde werde es „Absprachen mit der Polizei und der örtlichen Ausländerbehörde zu zukünftigen Einsätzen in der Unterkunft geben“. Der Abschiebebescheid für die beiden Sudanesen gilt nach wie vor. rea

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