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MUSIK

MusikThomas Mauchhört auf den Sound der Stadt

Wenn man sich derzeit auf den Berliner Konzertbühnen umschaut, muss man unbedingt den Eindruck gewinnen, dass die Vergangenheit mit ihren musikalischen Trümpfen Psychedelia sowie Kraut- und Spacerock endlich gewonnen hat. Allerorten klingt es, als ob sich das Musikgeschäft erinnerungsselig in die Endsechziger/Anfangsiebziger zurückgebeamt hätte.

Alles retro oder was?

So aber klingt Berlin eben momentan besonders gern, am Samstag im Urban Spree zum Beispiel mit Caudal,dem Trio um den Gitarristen Aidan Baker, das seine ausschweifenden und dahintrabenden Streifzüge und Abflüge durch Kraut und Space (mit besonderer Liebhaberei für Ambient-Kraut, wie das mal Eno mit Cluster gemacht hat) „Trance­punk“ nennt. Und das alles, das Kraut und das All, ist auch die musikalische Heimat von In Zaire,durch die sich die Band experimentierend und entdeckerfreudig, mit verschärfter psychedelischer Kante, treiben lässt. Kann man auf ihrem gerade bei Sound of Cobra (dem in Berlin beheimateten Kleinlabel für allerlei psychedelische und sonstwie freidrehende Verschrobenheiten) veröffentlichten Album „Visions of the Age to Come“ hören. Und eben am Samstag im Urban Spree (Revaler Str. 99, 20 Uhr, Eintritt frei).

Am Montag gibt es den vom Krautrock her gefühlten und nach Trance suchenden repetitiven Tribalismus im Lido (Cuvrystr. 7, 20 Uhr, VVK: 17 €) mit Föllakzoid. Ein Trio, das aus Chile kommt. Was eben heißt, dass das Psychedelic-, Kraut- und Cosmic-Rock-Ding durchaus eine berlinübergreifende Angelegenheit ist. Und eigentlich gar nicht wirklich retro. Weil da selten explizit auf historische Modelle verwiesen wird. Stattdessen greift man diese mal in den Endsechzigern/Anfangsiebzigern angelegten speziellen musikalischen Besonderheiten als genau die offenen Baustellen auf, die sie bereits damals sein sollten und wo man sich wieder neu in Entgrenzung und gegen Formatbeschränkungen übt. Jetzt noch dazu mit den Erfahrungen der elektronischen Musik, die wieder in rockähnliche Formate zurückdrängen.

Anderes, auch Aufregendes: einen angespannten, überdrehten, mit Wumms gegen die Wand rennenden No-Wave-Art-Punk aus New York mitCellular Chaosum Weasel Walter (mit Flying-Luttenbachers- und Lydia-Lunch-Retrovirus-Fame) am Montag im Badehaus (Revaler Str. 99, 19 Uhr, 12 €).Oder, auch Montag, The Batsim Roten Salon. Aus Neuseeland, seit den Mittachtzigern in gleicher Besetzung unterwegs. Sie machten mit ihrem Indiepop das Label Flying Nun mal zum hoffnungsfrohsten der Welt und weiterhin ist bei ihnen jeder einzelne Song so leicht und locker, der schwimmt sogar in Rock (Rosa-Luxemburg-Platz, 20 Uhr, 17 €).

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