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Dominic Johnson zur Schlussrunde im britischen WahlkampfSpannend und schmerzhaft

Dass der Wahlkampf zu den vorgezogenen Parlamentswahlen in Großbritannien nächste Woche doch noch spannend werden könnte, hätte niemand gedacht. Im April lagen Theresa Mays Konservative noch uneinholbar vorn, nahe der 50-Prozent-Marke, Labour war teils unter 30 Prozent gerutscht. Inzwischen sinken die Konservativen langsam, aber stetig, während Labour unter dem bislang als chancenlos geltenden Linksaußen Jeremy Corbyn beharrlich aufholt und der Unterschied in den Parteien so schrumpft, dass der Wahlausgang durchaus als offen zu bewerten ist.

Einer direkten TV-Konfrontation mit Corbyn weicht May aus. Am Montag gab es die nächstbeste Alternative: Beide stellten sich nacheinander Fragen desselben Publikums und derselben TV-Interviewer. Sie wurden scharf angegangen und agierten vor allem defensiv. Beide wissen: Ein Fauxpas zehn Tage vor der Wahl kann jetzt alles vermasseln.

Weder Theresa May noch Jeremy Corbyn glänzen in diesem Wahlkampf. Beide haben ein Talent dafür, vor allem über Dinge zu reden, von denen sie wenig Ahnung haben und bei denen die andere Seite jeweils besser ist. Sozialpolitik ist ein Labour-Thema, aber May stellte es in den Vordergrund, als sie in den Tagen vor dem Terroranschlag von Manchester ihre Regierungspläne präsentierte; Außen- und Sicherheitspolitik ist Mays Stärke, aber Corbyn wählte es als Thema seiner ersten großen Rede nach Manchester.

May wird jetzt alles daran setzen müssen, in den verbleibenden Tagen den Wahlkampf wieder dorthin zurückzuführen, wo er herkam: zum bevorstehenden Brexit. Das Risiko ist, dass das Thema kein Mensch mehr hören will. Corbyn hingegen wird irgendwann erläutern müssen, wie und mit wem er denn zu regieren gedenkt, was bisher für ihn kein Thema war. Für beide kann es bis zum 8. Juni eigentlich nur noch abwärts gehen.

Britische Wahlkämpfe sind schmerzhaft. Zum Glück sind sie kurz.

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