Das „Undenkbare“ denken

Die CSU-Basis tut sich mit dem Gedanken an Schwarz-Grün besonders schwer. Die Sondierung ist eine weitere Demütigung nach der unerwarteten Wahlniederlage

MÜNCHEN taz ■ Auf nichts mehr kann man sich verlassen in Bayern. Am Sonntag rutschte die CSU um zehn Prozentpunkte nach unten, und dann lud der Chef auch noch die Grünen zu Koalitionsgesprächen ein – schließlich, so Ministerpräsident Edmund Stoiber, müsse man in dieser schweren Stunde durchdenken, was „undenkbar“ erscheine. Dafür – genau für den Vorschlag einer schwarz-gelb-grünen Koalition – gab es ein paar Minuten vor Mitternacht spontanen Beifall auf der CSU-Wahlparty. In den letzten Tagen ruderte der verunsicherte Landesvater dann doch zurück. Von einem „Kulturschock für CSU-Wähler“ soll Stoiber gesprochen haben, nachdem er sich vom Rausch der Niederlage erholt hatte. Jetzt soll doch undenkbar bleiben, was bisher schon undenkbar war: „Ihr müsst euch darauf einstellen, dass ich für die CSU nein sage zu einer Jamaika-Koalition.“ So was wäre der Basis, den 180.000 Mitgliedern und den 3,5 Millionen schwarzen Wählern, dann doch nicht zuzumuten.

„Stoiber fällt um, weil er einen Autoritätsverlust hat“, urteilt dagegen Joachim Doppel. Als Kreisverbandsvorsitzender und stellvertretender Landrat im oberfränkischen Kronach ist er einer von der Basis. Zur Jamaika-Haltung seiner 2.000 schwarzen Schäfchen – das sind übrigens 2,6 Prozent aller Landkreiseinwohner – will er der taz noch nichts sagen: „Im Gegensatz zu den Oberen will ich dazu erst einmal alle befragen.“ Auf jeden Fall sei die Basis verunsichert: „Die denken sich: Um Gottes Willen, was macht die Spitze jetzt schon wieder. Die Grünen wurden uns doch jahrelang als Teufelswerk verkauft.“ In seinen Augen haben die Grünen durch ihre diversen Regierungsbeteiligungen aber „Salonfähigkeit“ bewiesen, „sie sind nicht mehr die Schmuddelkinder von einst, mittelfristig kann ich sie mir durchaus als Koalitionspartner vorstellen.“ Es sei aber eine „Riesenschande“, dass sich Merkel und Stoiber überhaupt an einen Tisch mit den Grünen setzen müssten. „Die Union hat eine Jahrhundertchance vertan und die CSU muss schauen, dass die Niederlage nicht nachhaltig wird.“

Auch Daniel Grotzky macht sich Sorgen um die Wählerschaft: „Wir müssen unsere Stammklientel im Auge behalten – da haben wir ein breiteres Spektrum abzudecken als die CDU“, erklärt der JU-Vorsitzende in München-Perlach. Wichtig sei eine Koalition, die in Deutschland Reformen durchsetzen kann. „Das können auch die Grünen sein, aber da gibt es auch andere Meinungen in der Partei – da unterscheiden sich Junge und Alte und vor allem Stadt und Land.“ Das sieht der Münchner CSU-Stadtrat Marian Offmann ähnlich: „Aus kommunalpolitischer Sicht kann ich eine Jamaika-Ablehnung nicht nachvollziehen, da gibt es durchaus Schnittmengen.“ Viele Reibungspunkte wie Atomkraft oder Transrapid seien dieselben wie bei der SPD.

MAX HÄGLER