: Hoch die Tassen
Trend-Getränk Die Deutschen konsumieren so viel Tee wie nie zuvor. Neue Sorten und Zubereitungsarten erobern den Markt, sogar als Digestif wird Tee serviert
Von Katja-Barbara Heine
„Ein Tag ohne Tee ist ein Tag ohne Freude“, lautet ein chinesisches Sprichwort. „Der Weg zum Himmel führt an der Teekanne vorbei“, heißt es in England. Und eine russische Weisheit besagt: „Nach dem Tee ist für die Seele Sommer:“ Rund um den Erdball ist man sich einig über die wohltuende Wirkung von Tee. Ob schwarz oder grün, bitter oder süß, im Glas oder in der Schale – das Aufgussgetränk wird von vielen Nationen geschätzt und geliebt, seit Jahrhunderten verbindet es Menschen und Kulturen. Mehr als fünf Millionen Tonnen Tee werden weltweit jedes Jahr produziert, die Zahl hat sich im letzten Jahrhundert mehr als verzehnfacht.
Deutschland gehört nicht zu den klassischen Tee-Nationen – mal abgesehen von den Ostfriesen, die mehr Tee trinken als die Briten und deren 400 Jahre alte Teekultur von der deutschen Unesco-Kommission in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Bundesweit ist die Tee-Begeisterung noch relativ jung: Fasst man schwarzen und grünen Tee (beide werden aus der Teepflanze Camellia sinensis gewonnen) sowie Kräuter- und Früchteteesorten zusammen, liegt der Pro-Kopf-Konsum heute bei 70 Litern im Jahr. Vor 20 Jahren waren es noch 57 Liter. Jochen Spethmann, Vorsitzender des Deutschen Teeverbandes, sagt: „Tee wird heute mehr denn je wertgeschätzt, nicht nur zum Frühstück oder Nachmittagstee. Er ist Teil eines Lifestyles und wird immer öfter regelrecht zelebriert.“ Die Institution in Hamburg, die Tee-Experten und Händler unter ihrem Dach vereint, hat gerade ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert.
„Tee passt in unsere Zeit“, meint Jesper Petersen, Marketing-Leiter beim Familienunternehmen Teekanne. „Gesundheit und Genuss spielen heute eine wichtige Rolle – und beide Anforderungen erfüllt Tee. Er führt viel Flüssigkeit zu – ohne Kalorien und mit viel Geschmack. Und er beschert uns Wohlfühlmomente: Schon die Zubereitung kann entspannend wirken.“ Das 130 Jahre alte Unternehmen verkaufte früher ausschließlich Kräuterteesorten wie Kamille, Hagebutte und Pfefferminze sowie einige Schwarzteesorten. Heute kommt das Angebot breit gefächert und exotisch daher. Zu den Verkaufshits zählen die sogenannten Länder-Tees. „Türkischer Apfel“, „Marokkanische Minze“ oder „Indischer Chai“ im praktischen Teebeutel bescheren dem Konsumenten „Genuss, wie er ihn von Urlaubsreisen kennt“, so Petersen.
Beim Konkurrenten Meßmer, einer Marke der Ostfriesischen Teehandelsgesellschaft, sind derzeit Tees mit Kuchengeschmack ein Renner, darunter „Strawberry-Cheesecake“, „Apfelstrudel“ oder „Himbeertörtchen“. Die Sorte „Heidelbeere-Kokos“ wurde von Facebook-Fans zum Meßmer-Tee des Jahres gewählt. Sowohl Teekanne als auch Meßmer haben zudem spezielle Teebeutel im Angebot, die sich mit kaltem Wasser aufgießen lassen.
Deutsche Teetrinker werden immer experimentierfreudiger, beobachtet Kyra Schaper, Sprecherin beim Deutschen Teeverband und bei der Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetee. „Die Neugier auf Tees ungewöhnlicher Herkunft wie Neuseeland, Thailand oder Korea wächst, bei den Grüntees sind Sencha-Varietäten und Matcha derzeit sehr angesagt.“ Rund um den Tee habe sich eine regelrechte Connaisseur-Szene entwickelt, wie es sie auch beim Wein gibt: Gastronomen können sich zum Tee-Sommelier ausbilden lassen, und Spitzenköche verarbeiten Tee in Dressings, Desserts, Gebäck oder Cocktails. In einigen Lokalen wird nach dem Essen ein Assam-Shot gereicht – anstelle von Espresso oder Schnaps.
Bei aller Exotik, die den Teemarkt derzeit überschwemmt, büßen die klassischen Kräutertees nicht an Beliebtheit ein. „Kamille, Pfefferminze oder Fenchel sind immer noch extrem gefragt, entweder als Mono-Kräutertee oder in Kräutermischungen“, sagt Jesper Petersen. Der Trend geht auch beim Tee zur Nachhaltigkeit: Marken wie Lebensbaum, Kräutergarten Pommerland, Sonnentor oder Pukka verwenden ausschließlich Kräuter aus biologischem Anbau und fairem Handel. Und gern auch aus der Heimat: Was hierzulande wächst, kommt häufig vom eigenen Feld.
Wie man Tee am besten zubereitet, hängt von der Sorte und dem Geschmack des Teetrinkers ab. Pro Tasse Tee empfehlen die Experten vom Deutschen Teeverband einen Löffel losen Tee oder einen Teebeutel, für die Kanne je einen weiteren. Loser Tee sollte am besten in einem Teesieb übergossen werden, damit die Blätter Platz haben, um sich auszubreiten. Die Ziehdauer variiert meist zwischen drei und fünf Minuten. Ist das Teewasser sehr kalkhaltig, kann es gefiltert werden.
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