piwik no script img

141 Festnahmen bei Party in Schwulensauna

IndonesienRazzia in einem Klub in Jakarta. Die religiöse Hetze der Islamisten gegen sexuelle Minderheiten nimmt an Schärfe zu

Von Michael Lenz

BANGKOK taz | Für 141 schwule Indonesier endete die Partynacht „The Wild One“ in der Atlantis Sauna in Jakarta im Gefängnis. In der Nacht zum Montag stürmte die Polizei die Sauna und nahm die Männer wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen das Pornografiegesetz fest. Es war 2008 vom Parlament verabschiedet worden. Befürworter sahen es als Garantie, um Indonesiens Gesellschaft vor dem moralischen Verfall zu bewahren. Kritiker hingegen befürchteten von dem Gesetz einen massiven Schritt hin zur Islamisierung des Landes und der Unterdrückung ethnischer, sexueller und religiöser Minderheiten.

Offiziell ist Homosexualität in Indonesien mit Ausnahme der Provinz Aceh nicht verboten. Doch laut dem vage formulierten Pornografiegesetz gilt alles, was „Lust und Begierde“ erregen kann, als Pornografie. Das eröffnet der Willkür von Behörden, islamistischen Gruppen, der Zensur und den Gerichten Tür und Tor, sagen Kritiker. Erst Dank einer in letzter Minute eingefügten Ausnahmeregelung dürfen Touristinnen im hinduistischen Ferienparadies Bali überhaupt weiter Bikinis tragen.

„Das Gesetz ist diskriminierend“, sagt der Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Jakarta, Andreas Harsono, der taz. „Die Festgenommenen haben kein Verbrechen begangen. Sexuelle Akte sind Privatsache, solange sie einvernehmlich stattfinden und weder Zwang noch Gewalt im Spiel sind.“

Über die Hintergründe der Razzia in der Atlantis Sauna kann nur spekuliert werden. Auffällig ist aber der Zeitpunkt. Sie fand nur einen Tag vor der allerersten angekündigten Vollstreckung der Prügelstrafe an zwei schwulen Männern im semiautonomen Aceh statt, bislang Indonesiens einzige Provinz mit Scharia-Recht. Die beiden Männer waren heimlich beim Sex in ihren eigenen vier Wänden von der Schariapolizei gefilmt worden. Ein islamisches Gericht verurteilte die Männer zu je 85 Stockhieben.

„Indonesiens Pornografiegesetz ist ­diskriminierend“

Andreas Harsono, Human Rights Watch

Und erst am 9. Mai war Jakartas christlicher Gouverneur Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama auf Druck radikalislamistischer Gruppen wegen angeblicher Schmähung des Koran zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Blasphemievorwurf war schon der Grund für die Niederlage Ahoks bei der Gouverneurswahl am 19. April gewesen. Der Wahlsieger Anies Baswedan hatte die Unterstützung islamistischer Gruppen mit dem Versprechen gewonnen, in Jakarta das islamische Recht (Scharia) einzuführen. „Es würde mich nicht überraschen, wenn diese Razzia im Zusammenhang mit Ahoks Abgang steht“, sagt Harsono.

Seit gut zwei Jahren schon hetzen Indonesiens konservative Kräfte gegen Homosexuelle. Vizepräsident Jusuf Kalla fordert von den Vereinten Nationen, die Finanzierung von ­Projekten für Schwule, Lesben und Transsexuelle in Indonesien einzustellen. Für den Soziologen Musni Umar stellt Homosexualität für das Land eine ähnlich große Gefahr dar wie „Terrorismus und Drogen“. Eine Umfrage im Herbst 2016 ergab: Homosexuelle, Chinesen und Kommunisten sind in Indonesien die am meisten gehassten Gruppen.

Schon auf der „erbreitung und Förderung von Pornografie steht Gefängnis. Davon kann Nazril Ariel Irham ein Lied singen. Der Sänger der populären Popband Peterpan landete 2011 vor Gericht, weil Unbekannte ein privates Video von ihm ins Netz gestellt hatten. Das zeigte den Popstar beim Dreier mit seiner Freundin und einer prominenten Fernsehmoderatorin. Das Gericht warf Ariel vor, durch „nachlässiges Handeln“ anderen die Gelegenheit zur Verbreitung von Pornografie verschafft zu haben. Urteil: dreieinhalb Jahre Gefängnis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen