: Der King und sein Gefolge
EISHOCKEY Die Schweden durchbrechen die Dominanz der Kanadier und gewinnen den WM-Titel. Ein Bruderpaar hat daran besonderen Anteil: Goalie Henrik Lundqvist und Kapitän Joel Lundqvist
aus Köln Christiane Mitatselis
Die Ausrüstung eines Eishockeytorhüters ist kein Wohlfühldress. Nach einem Spiel wird es in der Regel schnellstmöglich abgelegt. Der Schwede Henrik Lundqvist kam am späten Sonntagabend in Köln erst spät dazu, sich der etwa 25 Kilo schweren Montur zu entledigen. Verschwitzt stand er in der Mixed Zone der Kölner Arena und sprach noch eine halbe Stunde nach Ende des 2:1-WM-Finalsiegs im Penaltyschießen gegen Kanada über den 10. Titelgewinn der Tre Kronor – und seine vielen Facetten. „Es war ein großes Ziel und ein Traum“, sagte der 35-Jährige von den New York Rangers mit einem schicken Lächeln, das er manchmal auch als Model für Männermode einsetzt – und: „Es ist ein sehr emotionaler Moment.“
Neben ihm stand sein Zwillingsbruder Joel, der stürmende Schweden-Kapitän, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht und ebenfalls fotogen in die Kameras strahlte. Joel Lundqvist wurde zum dritten Mal nach 2006 und 2013 Eishockeyweltmeister mit Schweden, Henrik, Olympiasieger von 2006, zum ersten Mal. „Ich wusste, dass ich nicht mehr viele Möglichkeiten bekommen werde, deshalb bin ich gekommen“, sagte Henrik Lundqvist.
Der Star-Goalie war nach dem Ausscheiden der Rangers gegen Ottawa in der zweiten Runde der NHL-Play-offs zur schwedischen Mannschaft gestoßen. Er habe überlegen müssen, ob er sich die WM kräftemäßig noch zumuten könne. „Ich war sehr enttäuscht, als wir ausgeschieden sind“, berichtete er. „Aber ich habe gesehen, dass wir eine tolle, sehr starke Mannschaft haben. Und natürlich hat mich auch die Möglichkeit motiviert, mit meinem Bruder zu spielen.“
Denn diese Chance hatten sie schon sehr lange nicht mehr. In Are aufgewachsen, starteten die Brüder ihre Profikarrieren Anfang des Jahrtausends zusammen beim Frölunda HC in der schwedischen Liga. Bald trennten sich ihre Wege jedoch. Henrik machte Karriere bei den New York Rangers und wurde Millionenverdiener, 2012 war er Goalie des Jahres der NHL. Nebenher wurde er durch seine Nebenjobs als Model bekannt. Joel versuchte sich auch in Nordamerika, kehrte aber 2009 zum Frölunda HC zurück. „In den letzten zwölf Jahren sind wir unterschiedliche Wege gegangen“, sagte Henrik Lundqvist. „Dass wir das jetzt gemeinsam geschafft haben, ist eines der besten Gefühle, das ich je hatte. Ich bin sehr stolz.“
Im Endspiel gegen die Kanadier, die ihren 27. WM-Titel gewinnen und mit Rekordchampion Russland gleichziehen wollten, ging es hart und eng zu. Beide Teams spielten taktisch diszipliniert, schnell und weitgehend fehlerfrei. Kanada trat mit 24 NHL-Profis, Schweden mit 19 an – und man konnte phasenweise den Eindruck gewinnen, eine NHL-Play-off-Partie auf einer großen europäischen Eisfläche zu bewundern. Nach einem Unterzahltor von Viktor Hedman (40. Minute) und einem Powerplay-Treffer durch Ryan O’Reilly (42.) gab es eine 20-minütige Verlängerung, die spannend war, aber torlos blieb. So bekam „King Henrik“, wie er in New York manchmal genannt wird, die Chance, zum WM-König aufzusteigen. Und er nutzte sie.
Nachdem er vorher schon 42 Schüsse abgewehrt hatte, parierte er drei Penaltys der Kanadier. Und das, obwohl er sich am Samstag beim 4:1 im Halbfinale gegen Finnland leicht am Knie verletzt hatte. Eine Akupunkturbehandlung half ihm gegen die Schmerzen. „Die Ärzte haben einen fantastischen Job gemacht. Am Mittag wusste ich nicht, ob ich spielen konnte“, berichtete er.
Auch die schwedischen Stürmer leisteten gute Arbeit. Im Shoot-out trafen Nicklas Bäckström und Oliver Ekman-Larsson. Als der Sieg perfekt war, warf sich der junge William Nylander als Erster im Überschwang auf Goalie Lundqvist. Auch für den 21-Jährigen von den Toronto Maples Leafs wird das Turnier in Köln unvergesslich bleiben, denn er wurde bei seiner ersten Teilnahme an einer A-WM als MVP, wertvollster Spieler, ausgezeichnet. Mit sieben Toren und sieben Vorlagen.
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