piwik no script img

Der Leuchtende

BASKETBALL Real Madrid möchte die Euroleague gewinnen. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn die Mannschaft hat das größte europäische Talent in ihren Reihen

Der kommende Mann: Luka Doncic, gerade mal 18 Jahre alt, begeistert Fans und Experten Foto: imago

aus Madrid Florian Haupt

Das Aufwärmen vor einem Basketballspiel beginnt gemütlich und endet furios: Im Stakkato fliegen die Bälle in den Korb. Platsch, platsch, platsch. An diesem Abend in Madrid ist es allein schon ein Spektakel, der endlosen Dreierserie von Aufbauspieler Sergio Llull zuzusehen, dem etablierten Star von Real. Nicht minder aussagekräftig ist jedoch, was Luka Doncic veranstaltet. Der Slowene wirft und dribbelt wie alle anderen, klar, aber vor allem klatscht er ab und animiert. Man merkt: Da will einer Leader sein. Musterprofi. Wie um zu zeigen: Ich bin trotzdem einer von euch.

Luka Doncic ist 18 und gilt als Sensation des europäischen Basketballs. „In meinem Leben habe ich noch nichts Vergleichbares gesehen, so einen gibt es nur alle paar Jahrzehnte“, ließ sich etwa Reals Technischer Direktor Alberto Herreros zitieren. In den USA nennen ihn die Basketball-Blogger das „kompletteste und vielversprechendste Projekt seit LeBron James“ (Fansided) oder skizzieren die „Geburt einer europäischen Legende (Bleacher Report). Auch der 29-jährige Llull, Doncic’ Teamkollege, Freund und Mentor, glaubt: „Ihm gehört die Zukunft.“

In der Gegenwart wird Doncic ab Freitag beim Final Four der Euroleague in Istanbul die größte Bühne seiner bisherigen Karriere betreten. Mit Lampenfieber ist nicht zu rechnen. Im Viertelfinale wurde er zweimal zum Spieltags-MVP ernannt und von den Trainern der 16 Eliteklubs einstimmig zum besten Nachwuchsspieler unter 22. Obwohl er nicht mal die Hälfte der Minuten auf dem Parkett stand, ist er der einzige Akteur mit je mehr als vier Rebounds und Assists im Durchschnitt pro Spiel.

Auch beim letzten Heimspiel vor der Reise nach Istanbul in der spanischen Liga gegen Joventut Badalona beginnt der 2,01-Meter-Hüne auf der Bank. Die Trainer dosieren seine Einsätze, sofern sich das rechtfertigen lässt angesichts seines Talents und seiner Popularität bei den Anhängern. Der Grund aller Elogen zeigt sich dann kurz nach seiner Einwechslung: Er scheint schon jetzt alles zu können. Wenn er dirigiert, dann schnell und mit Übersicht. Wenn er verteidigt, dann hart und entschlossen. Wenn er zum Korb zieht, dann so athletisch wie elegant. Bei seinen ersten Punkten steht er in der Luft wie Michael „Air“ Jordan, so gewaltig, dass er erst an der Bande hinter dem Korb wieder landet. Kurz darauf wechselt er im Sprung den Ball von der rechten in die linke Hand und verwandelt im Sinken: die Imitation eines mythischen Spielzugs von Jordan.

„Er kann alles spielen“: So sagte schon sein Vater, als der damals 16-Jährige in Reals Profimannschaft debütierte. Sasa Doncic war selbst Basketballprofi, die Mutter, Mirjam Po­terbin, Tanzweltmeisterin. Nicht die schlechteste Mischung. Schon mit 13 wechselte er aus Ljubljana zu Real Madrid, auf Anhieb spielte er dort immer eine Altersstufe höher. Die Jugendtrainer erzählen, wie sich die Gegner manchmal kaum auf das eigene Spiel konzentrieren konnten, weil sie ihm staunend zuschauten. Reals Center Gustavo Ayón sagt, ihm gehe das auch heute manchmal so: „Luka hat keine Grenzen.“ Der Vater wiederum mag zwar keine Vergleiche, aber: „Er hat Eigenschaften von Toni Kukoc, die Übersicht von Dejan Bodiroga, die Beweglichkeit von Drazen Petrovic und das Passspiel von Milos Teodosic.“ Mit anderen Worten: eine Melange der größten Legenden aus dem ewigen Talentparadies im ehemaligen Jugoslawien.

Final Four

Die Endspiele: An diesem Freitag finden in Istanbul die Halbfinals der Euroleague statt. Zuerst spielt Real Madrid gegen Fenerbahce Istanbul (17.30), dann Olympiakos Piräus gegen ZSKA Moskau (20.30). Das Finale steigt am Sonntag.

Die Euroleague: Erstmals ausgetragen wurde die Euroleague in der Saison 2000/01. 24 Teams kehrten in jenem Sommer dem Weltverband Fiba den Rücken und starteten in der neuen Liga. Dies hatte zur Folge, dass der bis dahin ausgetragene Wettbewerb Europapokal der Landesmeister unter der Schirmherrschaft der Fiba an Bedeutung verlor und schließlich eingestellt wurde.

„Hübsch, positiv, lustig“

In der NBA wird er als mögliche Nummer eins des Drafts 2018 gehandelt, falls er sich da schon für den Wechsel nach Amerika entscheidet. Die Scouts geben sich seit Jahren in Madrid die Klinke in die Hand, und auch beim nicht unerheblichen Thema „Persönlichkeit“ dürften sie längst ihr Häkchen gemacht haben. „Er leuchtet“, sagt Herreros, „er ist hübsch, positiv, lustig.“ Meistens zumindest. Als er im zweiten Spiel des Euroleague-Viertelfinals gegen Darussafaka Istanbul nach einer schwachen ersten Einsatzzeit auf die Bank zurückkam, versteckte er seinen Kopf unter dem Handtuch und weinte. Schon wenige Minuten später führte er aber die Aufholjagd an, trotzdem verlor Real zu Hause, der Titelfavorit und neunmalige Champion wankte. Es folgten seine zwei MVP-Performances und damit die Wende in der Serie.

Nach dem Spiel gegen Badalona kommt Doncic in Jeans und T-Shirt aus der Kabine. Der Körper eines Mannes, das Gesicht eines Jungen. Ein paar alte Bekannte pfeifen ihn zu sich, artig eilt er herbei. Die Gesprächsanfrage des Reporters hingegen muss er ablehnen, „ich würde, aber ich darf nicht“, sagt er grinsend. Der Verein behütet ihn, er ist ja erst 18. Auch wenn man im Spiel davon nichts sieht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen