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Die rätselhafte Patientin stemmt wieder Pokale

TENNIS Mona Barthel, die lange gegen eine Erkrankung kämpfte, gewinnt das Turnier in Prag

PRAG/HAMBURG taz | Es ist ziemlich genau ein Jahr her, als klar wurde, wie schlecht es der Tennisspielerin Mona Barthel immer noch ging. Es war auch der Zeitpunkt, an dem die schwer geplagte, von einer mysteriösen Viruserkrankung geplagte Barthel sich nur eins dringend wünschte: „Ich will wieder ein normales Leben führen.“ Normal war ja nichts mehr für sie, weder in den ersten Monaten der Saison 2016, noch im April und Mai damals, als sie sich darüber freuen musste, „wieder selbst zum Einkaufen gehen zu können“.

Woran Barthel noch nicht zu denken wagte, was sie nicht einmal hoffen durfte, war dies: Ihre Tenniskarriere fortzusetzen, wieder auf einem der großen Centre Courts zu stehen. „Tennis war immer mein Leben gewesen, doch dieses Leben hatte ich nicht mehr. Und es sah so aus, als würde ich es auch nicht mehr zurück kriegen“, sagt Barthel rückblickend. Man muss diese Vorgeschichte kennen, um zu verstehen, wie unwahrscheinlich und bewegend die Szenerie war, die sich am Samstag im Sparta-Klub in Prag bot: Dort nämlich reckte Barthel, die ehemals so rätselhafte Patientin, den Siegerpokal in die Höhe, überwältigt von ihren Gefühlen, von der Erinnerung an die schweren Zeiten.

Was sie da geschafft hatte, war vielleicht höher einzustufen als mancher Grand-Slam-Sieg für einen der großen Stars – ein Kraft- und Willensakt, eine Demonstration der Courage nach einem Beinahe-Karriereende. „Letztes Jahr war jeder Schritt eine Tortur für mich. Nach zehn Metern war ich völlig erschöpft, am Ende“, sagte Barthel, „und jetzt stehe ich hier, als Gewinnerin. Das ist unfassbar.“ Erst recht, weil sich Barthel bei dem Wettbewerb in Tschechiens Metropole erst einmal durch die Qualifikation ins Hauptfeld kämpfen musste, im zweiten Qualifikationsmatch gegen die Italienerin Jasmine Paolini drei Matchbälle abwehrte – und dann auch noch alle weiteren Prüfungen, oft gegen höher eingestufte Konkurrenz, meisterte.

Im Endspiel lag die 26-Jährige aus Neumünster mit einem Satz im Rückstand gegen Lokalmatadorin Kristýna Plíšková, setzte aber zu einer Aufholjagd an und gewann 2:6, 7:5 und 6:2. Es war der vierte Turniersieg für Barthel, der erste seit drei Jahren. Barthel, die einst als größte Perspektivspielerin im deutschen Frauentennis gehandelt wurde, aber oft am eigenen und öffentlichen Erwartungsdruck scheiterte, erlebt ohnehin schon eine gute Saison 2017. Es scheint, als habe die bittere Krankheits-Saga gewisse Barrieren gelöst, Barthel nimmt ihr Tennis zwar ernst, aber nicht zu ernst. Wer überstanden hat, was Barthel überstand, kommt vielleicht besser mit den Herausforderungen klar, die sich auf einem Centre Court bieten. „Jeder Tag auf dem Court ist irgendwie ein Bonus für mich“, sagt Mona Barthel. Jörg Allmeroth

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