piwik no script img

Ratgeber 2.0

TIPPS Brauchte es in vordigitaler Zeit noch dicke Bücher und die Hilfe von Nachbarn, um ein Kind großzuziehen, gibt es heute eine nahezu unüberschaubare Blogger-Gemeinde

Von Anna Löhlein

Wollen wir Hausgeburt, Geburtshaus oder Klinik? Sind wir Wegwerf-Windel-Typen, versuchen wir es mit Stoffwindeln oder gar windelfrei? Wann sollen wir impfen – und wenn überhaupt, wogegen? Gemeinsam kuscheln im Familienbett, ein Beistellbett für Junior oder Babyphone-verstärkt im eigenen Zimmer?

Mit einer Schwangerschaft ergießt sich über die werdenden Eltern ein Fragen-Füllhorn ungeahnten Ausmaßes. Themen, über die bisher allenfalls gelächelt wurde, stehen jetzt im bald-elterlichen Fokus. Und – so die zig-tausendfache Erfahrung – es werden von nun an immer mehr. Waren es früher ältere, vorwiegend weibliche Verwandte, die werdenden Eltern mit Ratschlägen zur Seite standen, später regalmeterweise Ratgeberliteratur, so hauen moderne Eltern bei Unsicherheiten rund um Stillen, Schlafen, Schreien heute in die Tasten. Und finden im Internet häufig auch wonach sie suchen.

Zum Beispiel auf dem Hebammenblog von Jana Friedrich aus Berlin. Als sie vor einigen Jahren bemerkte, dass sich viele der Frauen, die sie als Hebamme betreute, im Netz informierten und in Foren nach Antworten suchten, beschloss sie, dem Halbwissen etwas Fundiertes entgegenzusetzen, und startete ihren Blog. „Der Austausch im Netz ist grundsätzlich zwar gut. Was er aber nicht wirklich bieten kann, sind persönliche, vertrauenswürdige Empfehlungen, die die eigene Lebenssituation, die eigenen Werte und Wünsche konkret und individuell berücksichtigen“, sagt Friedrich.

Über die reine Wissensvermittlung hinaus, möchte sie mit ihrem Blog Mut machen und Frauen in ihrer Selbstbestimmtheit stärken. „Inzwischen ist der Blog zu einem Teil meiner Arbeit geworden. Ich verdiene Geld mit dem Bloggen und auch mit vielen Projekten, die durch das Bloggen zustande gekommen sind.“ So entstand im vergangenen Jahr sogar ein Buch. „Dadurch legitimiere ich letztlich auch die viele Zeit, die ich damit verbringe, denn sonst wäre das schon längst nicht mehr tragbar.“

Neben jenem blanken Unwissen, welchem solch professionelle Blogs zu Leibe rücken, tut sich, ist das Baby erst mal da, den Eltern eine weitere neue Erkenntnis auf: Es gibt eine Gleichzeitigkeit von Über- und Unterforderung. Ein Zustand, den in dieser Intensität vermutlich nur Eltern kennen ­– und sie alle fragen sich: Geht es den anderen auch so? Zum Glück tummelt sich eine unüberschaubare Schar von BlogerInnen im Netz, mit der Intention, ihre LeserInnen durch Schwangerschaft, Geburt, die ersten Wochen und überhaupt alle weiteren Jahre mit Kind zu begleiten und dabei eigene Erlebnisse und Erfahrungen zu teilen.

Eine von ihnen ist Dreifach-Mutter Henriette Zwick alias Super Mom. Bodenständig, augenzwinkernd, tätowiert – und mit Berliner Schnauze, bezeichnet sie ihren Blog „als die beste Freundin, die bei einem schönen Essen und einem Glas Wein sagt: ,Weißte, du machst das echt toll mit deinem Kind! Die anderen kochen auch nur mit Wasser und erzählen dir nicht alles. Es ist total okay, Stillen oder Fami­lienbett nicht ausgesprochen toll zu finden, sich zu schminken, gern tanzen zu gehen oder ein Glas Wein zu trinken. Entspann dich. Für dein Kind bist du die perfekte Mutter!’“ Worte, die gestresste Mutterseelen streicheln, und ein Blog, der dem perfektionistischen Supermamawahn beschwichtigend und mit Humor entgegentritt.

Blog der Dreifach-Mütter

Blogs von A bis Z

Schulkind, Kita-Kind, Baby, Mutter, Vater – der Blog einer Berliner Familie deckt so ziemlich alles ab: www.grossekoepfe.de

Der Vater dreier Kinder über Lieblingsbücher und Papamomente: papajahre.de

Englischen Humor versprüht Man-vs.-Baby-Dad Matt auf www.man-vs-baby.co.uk

Bloggende Vierfachmutter über „bedürfnisorientierte, gewaltfreie Kindesbegleitung“: kindheitinbewegung.com/blog

Betrieben von Hebammen des Geburtshauses Charlottenburg über selbstbestimmte Schwangerschaft und Geburt: www.normale-geburt.de

Einer der erfolgreichsten Familienblogs hierzulande: www.babykindundmeer.de

Zum Thema „Reisen mit Kindern“ lässt es sich auf viermalfernweh.de schmökern.

Reisen und das „Unschooling“ sind die Hauptthemen auf www.wir-sind-unterwegs.com.

Der praktische wie liebevolle Mama-Blog www.thehappyyears.de, unter anderem mit Tipps über Mode und Lifestyle (al)

Ähnlich entspannt geht es bei Anna Luz von „Berlin-Mitte-Mom“ zu. In dem-Blog teilen zwei Dreifach-Mütter einerseits Alltagsgeschichten, setzen sich aber auch mit politischen Themen auseinander. Der Mutter-Hebamme-Vater-Blog „von guten Eltern“ vereint das Fachwissen der Hebammen-Mutter mit Posts, die sowohl Mutter als auch Vater erzählen. Apropos: Treiben sich in der Blogosphäre eigentlich auch Väter herum? Die gute Nachricht: Ja, tun sie. Wenn auch nicht ganz so zahlreich.

Schon eine Art Institution sind die Familien-Tweets der Woche auf Christian Hannes „Familienbetrieb“ – sie sind wie seine Posts kurzweilig und oft skurril. Hanne ist überzeugt, dass Väter anders als Mütter bloggen. „Die Vielfalt bei den Väterblogs ist so groß, dass Väter auch anders als Väter bloggen. Genauso wie Mütter anders bloggen als Mütter“, so Hannes.

Und was war für ihn der Anlass zum Bloggen? „Es ist ein Ventil, um den Alltagswahnsinn zu bewältigen. Wenn ich eine lustige Geschichte darüber schreiben kann, wird es nicht so schlimm gewesen sein. Zum Beispiel die durchwachten Nächte, als die Kinder noch Säuglinge waren, oder die Tobsuchtsanfälle im Trotzalter. Das Bloggen ist also gewissermaßen ein psychologischer Verdrängungsmechanismus für mich“, sagt der „Kishon der Familienblogger“. Auch könne das Bloggen die Rettung aus der Sinnkrise eines Mannes Ende 30 bedeuten – als Ersatz für den Porsche oder die heimliche Geliebte.

Jana Friedrich:www.hebammenblog.de

Hebamme Anja und Christian Gaca: www.vonguteneltern.de

Jette Zwick: www.supermom-berlin.de

Anna Luz: www.berlinmittemom.com

Stadt-Land-Mama www.stadtlandmama.de

Christian Hanne: www.familienbetrieb.info

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen