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Vizekanzler und ÖVP-Chef schmeißt hin

ÖsterreichDer Rücktritt von Reinhold Mitterlehner könnte noch in diesem Jahr zu Neuwahlen führen

AUS WIEN Ralf Leonhard

„Es ist genug.“ Ein sichtlich genervter Vizekanzler Reinhold Mitterlehner trat Mittwoch kurz nach Mittag vor die Presse und von allen Funktionen zurück: Wirtschaftsminister, Vizekanzler und ÖVP-Chef. Ursache sind innerparteiliche Querelen und das immer feindseligere Klima in der Koalition mit der SPÖ.

Seit Monaten ist es ein offenes Geheimnis, dass die ÖVP bei den nächsten Wahlen den populären 30-jährigen Außenminister Sebastian Kurz ins Rennen schicken will. Mitterlehner wurde sowohl parteiintern als auch in den Medien längst nur mehr als Platzhalter auf Abruf betrachtet. Er wolle Zeitpunkt und Inhalt aller Schritte selbst bestimmen, begründete Mitterlehner also den Zeitpunkt seines Rücktritts. Er klagte über die SPÖ, die mit eigenen Wirtschaftskonzepten Dauerwahlkampf betreibe, aber auch über die eigenen Parteifreunde, die den Koalitionspartner laufend kritisierten: „Es ist meiner Meinung nach unmöglich, in einer derartigen Konstellation Regierungsarbeit zu leisten und gleichzeitig Opposition zu sein“.

Mitterlehner, der nie als Spitzenkandidat zu einer Wahl antreten musste, erbte die Ämter nach den Nationalratswahlen 2013 vom glücklosen Michael Spindelegger. Sein anfänglicher Vertrauensbonus verpuffte schnell. In der ÖVP sind schon lange Kräfte am Werk, die die Koalition platzen lassen wollen. So sah es auch Christian Kern, als er vor einem Jahr die Kanzlerschaft und den SPÖ-Vorsitz übernahm.

Einer, der fast jede Woche den Regierungspartner provoziert, ist Innenminister Wolfgang Sobotka, der Kern zuletzt in einem Interview Untätigkeit vorwarf, weil er nicht alle Vorstöße Richtung Überwachungsstaat, die Sobotka unternimmt, absegnet. Laut Medienberichten soll Mitterlehner am Wochenende vergebens versucht haben, Sobotka abzusetzen.

Ob die Wahlen, die planmäßig erst im Herbst 2018 stattfinden, vorverlegt werden, ist noch unklar. Kanzler Kern tut der ÖVP jedenfalls nicht den Gefallen, die Koalition jetzt zu kündigen. Eine Stunde nach Mitterlehner erschien er zu einem kurzen Statement, in dem er den Abgang seines Partners bedauerte aber gleichzeitig der ÖVP und Sebastian Kurz „eine Reformpartnerschaft für Österreich“ anbot.

Sebastian Kurz, der bis zuletzt jede Ambition auf den Parteivorsitz abgestritten hat, ist jetzt unter Zugzwang. Er soll seine Inthronisierung an die Verwirklichung einer tiefgreifenden Parteireform und baldige Neuwahlen geknüpft haben.

Längst schon munkelt man über einen Termin im kommenden November. Zunächst muss aber der ÖVP-Parteivorstand zusammentreten und einen geschäftsführenden Vorsitzenden und einen neuen Wirtschaftsminister bestellen.

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