piwik no script img

Das reicht

Bauen Wohnen auf wenigen Quadratmetern ist nicht unbedingt neu, derzeit aber wieder ein Trend in der Stadt. Ist Mikrowohnen nun das Mittel gegen die Wohnungsnot – oder spielt es nur den Investoren in die Hände?

Von Dinah Riese

Es gibt Menschen, die brauchen tendenziell weniger Platz. Geschäftsleute zum Beispiel, die nur für begrenzte Zeit in einer Stadt wohnen oder pendeln. Oder Studierende, die noch nicht so viel Kram angehäuft haben. Von beidem hat Berlin reichlich – und so ploppen gerade überall in der Stadt Mikroapartments aus dem Boden. Das Studentenwohnhaus „The Fizz“ etwa bietet Studierenden vollmöblierte Apartments mit 17 bis 24 Quadratmetern an – unter dem Motto „Living cum laude“ und für einen Quadratmeterpreis von etwa 40 Euro. In der Lehrter Straße in Mitte entsteht gerade der Wohnturm „The Fritz“. Ähnlicher Name, ähnliches Konzept: 266 Wohnungen, 150 davon mit einer Grundfläche von 22 bis 24 Quadratmetern. Keine Wohnung soll größer sein als 52 Quadratmeter, die Warmmiete beträgt 800 bis 1.500 Euro im Monat.

In Berlin herrscht akuter Wohnungsmangel. Alleine 2014 ist die Stadt um 40.000 Einwohner gewachsen, im gleichen Zeitraum wurden nur 7.069 neue Wohnungen fertiggestellt. Da klingt sie auf einmal ganz gut, die Idee vom Mikrowohnen – wenn alle mit weniger Quadratmetern auskommen, dann ist für mehr Menschen Platz. Wäre der Bau kleinerer Wohnungen die Lösung? Vier Wohnungen mit 20 Quadratmetern statt einer mit 100?

Für Investoren wäre es ein guter Deal: Eine Warmmiete von 18 Euro pro Quadratmeter ergibt für eine 20-Quadratmeter-Wohnung eine verkraftbare Monatsmiete von 360 Euro – bei 100 Quadratmetern für 1.800 Euro warm schrumpft der Pool potentieller Mieter*innen in sich zusammen.

Das Wohnen auf kleinem Raum ist keine neue Idee. Da sind zum Beispiel die eng mit der Hausbesetzerszene verbundenen Wagenburgen: Rund zehn Quadratmeter hat so ein Bauwagen – die Punkrock-Variante der wenige Quadratmeter großen Tiny Houses. In Berlin bezogen Menschen mit ihren Wägen Anfang der Neunziger jene Brachflächen, auf denen kurz zuvor noch der Osten an den Westen der Stadt gegrenzt hatte. Einige dieser Wagenplätze existieren noch heute – wie die Lohmühle in Treptow. Viele aber mussten entweder ganz weichen oder an den Stadtrand umziehen. Vom massig vorhandenen Platz nach der Wiedervereinigung ist in Berlin nicht mehr viel übrig. Die Stadt boomt. Längst sind die Brachen bebaut und der Leerstand ist auf ein Minimum zurückgegangen – etwa 1,7 Prozent beträgt er stadtweit.

An kleinen Wohnungen herrscht großer Bedarf: „Berlin ist die Hauptstadt der Singles“, verkündete im Juli 2014 das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Mehr als die Hälfte aller Berliner Haushalte bestehe aus nur einer Person. Eine Zahl, die mit Vorsicht zu genießen ist: denn ein Einpersonenhaushalt bedeutet für die Statistiker*innen nicht zwingend eine Person, die alleine in einer Wohnung lebt. Vielmehr geht es um die Frage, ob Personen gemeinsam wirtschaften – eine Dreier-WG besteht also in der Regel aus drei Einpersonenhaushalten.

Sigmar Gude vom Stadtplanungsbüro Topos geht trotzdem davon aus, dass die potenzielle Zielgruppe für kleine Wohnungen deutlich größer ist als das entsprechende Angebot. Der Bau von Mikrowohnungen werde das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum kurzfristig allerdings nur bedingt lösen, glaubt er. Dazu ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage einfach zu groß. Und dazu leben die, die bezahlbaren Wohnraum am dringendsten brauchen, schon jetzt zu beengt. Der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch lag in Berlin 2015 bei 39,5 Quadratmeter pro Person. „Bei Bewohnern von Eigentumswohnungen waren das schon fast 50 Quadratmeter“, sagt Gude, „bei Hartz-IV-Empfängern hingegen nur 28“. Wenn vor allem Geringverdiener*innen nun aus kleinen in noch kleinere Wohnungen ziehen, ändert sich an der Gesamtsituation wenig.

Dabei ist die Situation in anderen Metropolen deutlich schlimmer. Tokio etwa hat nur 15 Quadratmeter pro Einwohner*in aufzuweisen. Dort hat sich die Architektur längst auf das Wohnen auf wenig Raum eingestellt – notgedrungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen