: » NUR NOCH SCHLEIER«
INTERVIEW ANNETTE BRUHNS Wir wollten mit einer Frau von Maria-TV sprechen, dem ägyptischen Frauensender. Geantwortet hat der Chef: Abu Islam. Er ist Islamistenprediger, er verbrennt Bibeln in seiner Freizeit. Und er schreit nach einer Erlösung der Frauen – der westlichen. Unsere Fragen beantwortete er per Mail
ProQuote: Inwiefern ist Ihr Sender ein Frauensender?
Abu Islam: Wir sind ein junger Sender, die Idee ist neu, deswegen haben wir noch ein paar männliche Mitarbeiter: zwei Kameramänner. Aber wir werden sie sehr bald durch Kamerafrauen ersetzen, schließlich trainieren wir unsere Mitarbeiterinnen gerade dafür. Innerhalb von ein paar Monaten sollten wir in der Lage sein, ein 100-prozentiger Frauensender zu werden. Aber schon jetzt sind unsere Produzenten, Direktoren, Moderatoren und Gäste ausschließlich weiblich.
Müssen all Ihre Mitarbeiterinnen den Nikab tragen?
Wir zwingen niemanden, einen Nikab zu tragen. Wer sich bei uns bewirbt, trägt ihn sowieso. Die Zuschauer sehen, dass unsere Moderatorinnen im Fernsehen verschleiert sind. Sie sollten Nikabträgerinnen sein. Aber die Frauen hinter der Kamera können auch einen einfachen Hidschab tragen, bei dem das Gesicht zu sehen ist. Wir haben auch ein paar Frauen, die gar keinen Schleier tragen. Die haben wir eingestellt, weil sie die nötige Berufserfahrung hatten. Wir hoffen aber, dass wir sie bald durch qualifizierte verschleierte Frauen ersetzen können.
Warum tragen sie Handschuhe? Stört das nicht beim Arbeiten, bei diesen Temperaturen?
Frauen, die ihr Gesicht und ihre Hände bedecken, schützen sich ja auch vor der Sonne. Bei uns ist es einfach sehr heiß. Auch Männer tragen hier ja oft einen Turban, und sie versuchen, ihr Gesicht mit dem Stoff zu bedecken. Manchmal sieht es fast so aus, als würden Sie auch einen Nikab tragen. Das ist die menschliche Seite. Natürlich bedecken sich die Frauen hauptsächlich, um Allah zu huldigen. Aber wenn ich neben meiner Frau laufe und die Sonne vom Himmel brennt, dann ist das für mich unangenehmer als für sie.
In Deutschland gibt es praktisch keinen Fernsehsender und kaum Zeitungen, die von Frauen geführt werden. Fast alle Chefredakteure sind noch immer Männer. Was halten Sie von der Forderung, in Medienunternehmen eine 30-Prozent-Frauenquote auf Führungsebene zu etablieren?
Ich unterstütze sie. Und zwar aus folgendem Grund: Ich glaube, in Deutschland und in anderen westlichen Ländern gibt es wirklich diese Frauenfeindlichkeit. Ein Beweis dafür sind diese Männerzirkel, die Frauen noch bis vor Kurzem von der Teilnahme ausgeschlossen haben oder das noch immer tun. Auch die Kirche erlaubt es den Frauen nicht, Priesterinnen zu werden. Das ist doch Diskriminierung.
Wofür plädieren Sie denn?
Ich sage: Man muss den Frauen Freiheiten geben, auch wenn sie die vielleicht gar nicht nutzen. Man darf sie nicht ihrer Rechte berauben. Frauen sind klug, sie können gute Journalisten sein oder auch Moderatoren. Im Westen lassen Sie die Frauen mit riesigen Lastwagen herumfahren oder in Stahlwerken arbeiten. Und dann halten Sie sie davon ab, in den Medien Karriere zu machen oder in der Technologiebranche. Dafür gibt es keine Rechtfertigung! Das passiert in Europa! Sogar in New York habe ich Frauen getroffen, die unter der Diskriminierung gelitten haben. Sogar die Löhne der Frauen sind niedriger als die der Männer – in der gleichen Position.
Und wie erklären Sie sich diese „Diskriminierung“?
Das ist eine Art der Diskriminierung, die seit Jahrzehnten stattfindet. Es scheint so, als hätten sich Männer und auch Frauen daran gewöhnt. Die einzige Freiheit, die man den Frauen in Europa zugesteht: Sie dürfen aus ihrem Aussehen Profit schlagen. Sie dürfen zum Beispiel in Diskotheken arbeiten und Ähnliches. Sie haben also das Recht, ihren Körper misshandeln zu lassen. Aber würdevoll in die soziale und berufliche Position aufzusteigen, die sie verdienen, das ist ihnen nicht möglich. Deshalb unterstütze ich diese Frauen. Sie können auch bei mir im Fernsehen, bei Maria-TV, auftreten und Ihre Meinung sagen. Auch wenn Sie sich nicht an unsere Kleiderordnung halten. Sie werden dann die Erste sein, die keinen Nikab trägt.
Annette Bruhns, 46, übt sich als Chefredakteurin bei der ProQuote-taz. Sie ist seit 17 Jahren Redakteurin beim Spiegel, heute zuständig für die Magazine Spiegel Wissen und Spiegel Geschichte. Die Einladung, nach Kairo zu Maria-TV zu kommen, ist ihr peinlich.